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Gezeitengrab (German Edition)

Gezeitengrab (German Edition)

Titel: Gezeitengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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Donnerstag in einer Woche? Willst du auch deine Eltern einladen?»
    «Irgendwie habe ich das Gefühl, Namensweihen sind nicht so ganz ihr Ding.»
    «Ganz sicher? Was ist mit Shona?»
    «Die wird kommen.» Shona feiert mindestens so gern wie Cathbad, und trotz ihrer katholischen Kindheit schlägt sie sich inzwischen eindeutig auf die heidnische Seite.
    «Dann musst du aber auch Phil einladen», setzt Ruth spitzbübisch hinzu. «Die zwei sind ja jetzt offiziell zusammen.»
    «Wenn das so ist, lade ich ihn natürlich ein», erwidert Cathbad würdevoll. «Auch wenn ich ihn als eher negative spirituelle Energie empfinde.»
    Am liebsten würde Ruth ihm sagen, dass das ganz auf Gegenseitigkeit beruht. Doch sie lässt es bleiben. Sie muss sich eingestehen, dass ihr der Gedanke an ein Fest für Kate im Grunde sehr gut gefällt. Und so gibt sie jetzt nach und setzt sich auf ihren Besucherstuhl. Der gute alte Cathbad. In den ersten paar Monaten mit Kate war er ihr eine echte Stütze. Er hat es verdient, Patenonkel zu werden.
    Seine nächste Bemerkung allerdings wischt ihr das liebevolle Lächeln gleich wieder vom Gesicht.
    «Wir müssen natürlich auch Nelson einladen.»
    «Wieso?», fragt Ruth argwöhnisch.
    Cathbad verzieht keine Miene. Es gehört zu seinen irritierenderen Eigenschaften, dass man sich nie ganz sicher sein kann, was er gerade denkt.
    «Ich sehe ihn gewissermaßen als Kates geistigen Vater.»
    «Ach was?» Ruth schlägt das Herz bis zum Hals, doch sie lässt sich nichts anmerken.
    «Er kann ihr Hüter werden. Jemand, der sie immer beschützt.»
    «Nelson ist katholisch. Er wird nie zu einem heidnischen Ritus kommen.»
    «Aber die Riten sind ihm nicht so wichtig. Er wird kommen. Das weiß ich.»
    Genau das befürchtet Ruth auch.
    «Dann müssen wir aber auch seine Frau einladen», sagt sie.
    «Ich bin ihr bisher nur einmal begegnet», sagt Cathbad, «aber mir scheint, sie ist eine schöne Seele.»
    «Hübsch ist sie allerdings», entgegnet Ruth trocken.
    «Ich meinte eher geistig schön», sagt Cathbad. Aber Ruth ist sich da nicht so sicher. Trotz aller hochfliegenden Vergeistigung hat Cathbad durchaus ein Faible für schöne Frauen.
    «Also gut», sagt Ruth. «Wir machen ein Fest und ein Feuer. Lad sie ein, die ganzen schönen Menschen.»
    Cathbad lächelt. Und als er längst weg ist und Ruth sich bereits in die Vorbereitungen für ihr Seminar vertieft hat, kommt es ihr vor, als hinge sein Lächeln noch in der Luft, so wie das von Lewis Carrolls berühmter Grinsekatze.

[zur Inhaltsübersicht]
    8
    Eine Woche später hat Ruth die Ergebnisse der Isotopenuntersuchung. Sie ruft sofort bei Nelson an, bekommt aber nur zu hören, er sei auf einem «Polizeieinsatz». Auch sein Handy ist ausgeschaltet. Ruth hinterlässt eine Nachricht und wartet dann ungeduldig, während sie noch einmal die Daten liest, die vor ihr liegen, und sich dabei gedankenverloren mit dem Handy an die Zähne tippt. Als es klingelt, geht sie vor Schreck fast an die Decke.
    «Hallo, Ruth.» Es ist Ted.
    «Hi, Ted. Was gibt’s?»
    «Wir haben da was am Strand gefunden.»
    «Und was?»
    «Fässer.»
    «Fässer?»
    «Alte Ölfässer. Vielleicht stehen die ja irgendwie in Zusammenhang mit unseren Toten. Magst du vorbeikommen und sie dir anschauen?»
    Ruth überlegt kurz. Es kann Stunden dauern, bis Nelson zurückruft, und auf irgendwelche anderen Arbeiten kann sie sich gerade sowieso nicht konzentrieren. Sie hat am Nachmittag keinen Unterricht, und Kate muss sie erst um fünf abholen. Und die Sache interessiert sie: Was können ein paar alte Ölfässer bloß mit sechs Skeletten zu tun haben?
    «Okay», sagt sie. «Ich komme vorbei.»
    Ted wartet oben am Küstenpfad auf sie. Es ist ein schöner Nachmittag: kalt, aber sonnig und windstill. Weil Ebbe ist, erstrahlen die seichten Tümpel zwischen den Steinen in einem überirdischen Blau. Ted reibt sich wie in freudiger Erwartung die Hände – vielleicht versucht er aber auch nur, die Durchblutung wieder in Gang zu bringen.
    «Hier lang.»
    Er geht voran, vorbei an der vorspringenden Landzunge bis zur nächsten Bucht. Um dort hinzukommen, müssen sie über die Reste des alten Wellenbrechers klettern, und Ruth ist schon bald völlig außer Puste. Vor ihr eilt Ted dahin und springt wie eine Bergziege über die glitschigen Steine. Gibt es eigentlich auch Meerziegen? Oben auf der Schutzmauer bleibt Ruth stehen, um wieder zu Atem zu kommen und die Aussicht zu genießen. Vor ihr erstreckt sich eine Bucht wie

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