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Gezeitengrab (German Edition)

Gezeitengrab (German Edition)

Titel: Gezeitengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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euch.»
    Schwefel. Das Wort hat einen unheimlichen Klang. Hölle und Fegefeuer. Der Teufel, der um ein gelb flackerndes Feuer tanzt. Unwillig schüttelt Ruth den Kopf. Ihre Eltern sind große Experten in Sachen Teufel, doch sie schätzt es gar nicht, wenn er sich auf diese Weise in ihre Gedanken drängt. Vor allem, da sie auch an ihn nicht glaubt.
    Das dritte Fass ist völlig unversehrt. Ruth rüttelt probehalber daran. Es bewegt sich kaum, doch man hört etwas darin schwappen.
    «Ich glaube, da ist Benzin drin», sagt Ted.
    «Benzin?»
    «Ja, der ganze Strand stinkt danach.»
    Jetzt fällt es auch Ruth auf. Offenbar ist aus den beiden ersten Fässern eine Menge Benzin ausgetreten, die ganze Umgebung riecht wie der Vorplatz einer Autowerkstatt. Als sie nach unten schaut, sieht sie, dass der Sand schwarz von Öl ist.
    «Dann sollten wir wohl besser die Feuerwehr benachrichtigen», sagt sie. «Und Warnschilder aufstellen. Da braucht nur irgendein Idiot mit einer Zigarette zu kommen, und …»
    «Gute Nacht, Freunde», bestätigt Craig. Er packt bereits seine Ausrüstung zusammen. Ruth mag ihn; er ist der erste Archäologe, der ihr nicht ständig Widerworte gibt.
    «Was ist mit dem Stoff aus dem Fass?», fragt Ted.
    «Ich lasse eine Probe davon im Labor untersuchen.»
    «Na, dann viel Spaß», sagt Ted grinsend.

    Weiter landeinwärts, mit Blick auf sanft geschwungene Hügel und ebene Feuchtbiotope, haben Nelson und Judy einen ganz anderen Geruch in der Nase. Desinfektionsmittel, Lavendel und Wiesenblumen verbergen ein viel menschlicheres Aroma.
    «Mann, ich hasse solche Orte», sagt Nelson zum etwa zehnten Mal und rutscht unruhig auf dem chintzbezogenen Sessel herum.
    «Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwer sie wirklich mag», erwidert Judy. Langsam geht ihr der Boss ziemlich auf die Nerven. Auch sie kann sich schönere Nachmittagsbeschäftigungen vorstellen, als einen verrückten Alten in einem Seniorenheim zu befragen, aber das ist nun mal ihr Job, und den muss sie machen. Wahrscheinlich ist Nelson einfach sauer, weil Whitcliffe ihn gezwungen hat, zu dieser Routinebefragung mitzukommen. Zumindest suggeriert die Art, wie er auf der Kante des viel zu niedrigen Sessels hockt, dass er jetzt eigentlich Verbrecher jagen und Unrecht sühnen würde, wenn ihn diese dumme Verpflichtung nicht davon abhielte. Dabei würde er wahrscheinlich doch nur wieder in einer von Whitcliffes endlosen Besprechungen sitzen.
    Und sie selbst würde wahrscheinlich irgendwelche Papierberge durchackern und versuchen, nicht an ihren Junggesellinnenabend in zwei Wochen zu denken. Im Aufenthaltsraum des Reviers hängt ein Zettel, auf dem sich die Gäste eintragen können, und Judy hat zu ihrem Entsetzen gesehen, dass dort bereits mindestens dreißig Namen stehen. Es kann doch unmöglich dreißig Frauen im Revier geben? «Ach, alle bringen noch Freundinnen mit», hat ihr Tanya, ihre Freundin und Kollegin, erklärt. «Je mehr, desto lustiger.»
    Judy ist überzeugt, dass es schrecklich lustig werden wird. Sie fangen in einer Weinbar an, gehen dann weiter zum Abendessen und anschließend in einen Club. Verkleidungen jeglicher Art hat sie sich verbeten, aber trotzdem ist sie sicher, dass zwangsläufig komische Kopfbedeckungen und Scherzartikel in Strapsform zum Einsatz kommen werden. O ja, sie werden bestimmt alle einen Heidenspaß haben. Bis auf die Braut natürlich.
    «Wenn Sie mir bitte folgen wollen?» Eine Dame in Dienstkleidung sieht lächelnd auf sie herab. Wahrscheinlich ist sie gar keine Krankenschwester, doch ihre Art – diese forsche Mischung aus Freundlichkeit und professioneller Distanz – erinnert sehr an ein Krankenhaus. Aber es ist kein Krankenhaus, das konnte Whitcliffe gar nicht genug betonen. «Eine ganz großartige Einrichtung. Großvater fühlt sich richtig wohl dort. Sie spielen Boccia und arbeiten im Garten. Sogar Bogenschießen kann man. Ein echtes Heim fern der Heimat.»
    Als sie jetzt die cremeweiß gestrichenen Flure entlanggehen, macht das Greenfields Care Home tatsächlich einen sauberen und gut organisierten Eindruck. Aber heimelig? Judy kann sich kaum vorstellen, dass jemand sein Zuhause freiwillig mit historischen Drucken von Norfolk im Wandel der Zeiten ausstatten würde, geschweige denn mit Spendern zur Handdesinfektion, Treppenliften oder Brandschutzhinweisen. Und es macht auch keinen sonderlich heimatlichen Eindruck, ein Zimmer mit einer Nummer zu bewohnen, auch wenn darunter in freundlichen Kleinbuchstaben

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