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Gezinkt

Gezinkt

Titel: Gezinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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worden.
    Er rief sich einen weiteren Zwischenfall ins Gedächtnis: Bei dieser Gelegenheit hatte er einen konkurrierenden Risikokapitalgeber von einem Privatdetektiv ausspionieren lassen und herausgefunden, dass er schwul war. Der Klient, den sie beide umwarben, war ein Schwulenhasser. Während eines Abendessens ließ York unauffällig sein Insiderwissen über den Rivalen fallen, und am nächsten Tag bekam Yorks Unternehmen den Auftrag. Hatte er es herausgefunden und Trotter angeheuert?
    Noch andere Sünden?
    Na und ob, dachte York angewidert.
    Erinnerte sich an einen Vorfall im College, einen aus dem Ruder gelaufenen Studentenstreich, der damit geendet hatte, dass ein Junge betrunken auf einen Polizisten einstach. Er war des Colleges verwiesen worden und bald darauf verschwunden. York erinnerte sich nicht mehr an seinen Namen. Es hätte Trotter sein können.
    Ein Dutzend anderer Vorfälle drängten in seine Gedanken, zwei Dutzend, drei – Leute, die er missachtet und beleidigt hatte, Lügen, die er erzählt, und Geschäftspartner, die er betrogen hatte... Sein Gedächtnis spuckte nicht nur die ernsten Vergehen aus, sondern auch die Kleinigkeiten: Unhöflichkeit zu Bedienungen, eine ältere Dame, die er bei einem Autokauf übervorteilt hatte, Lachen, als das Toupet eines Mannes bei starkem Wind davonflog …
    Es war ermüdend, sie alle noch einmal zu durchleben.
    Noch ein Schluck Scotch... und noch einer.
    Das Nächste, woran er sich erinnerte, war, dass die Sonne durch das Fenster hineinschien. Er kniff vor Kopfweh die Augen zusammen und schaute benommen auf die Uhr. Oh, verdammt, es war schon neun... Warum hatte ihn Carole nicht geweckt? Sie wusste, dass er heute Vormittag zwei Geschäftsverhandlungen hatte. Manchmal dachte die Frau aber auch wirklich nicht mit.
    York taumelte in die Küche, und Carole blickte vom Telefon auf. Sie lächelte. »Frühstück ist fertig.«
    »Du hast mich schlafen lassen.«
    Sie sagte zu ihrer Freundin, sie würde wieder anrufen, und legte auf. »Ich dachte, du bist müde. Und du hast einfach zu süß ausgesehen, so in die Couch gekuschelt.«
    Süß. Gott im Himmel... Er zuckte vor Schmerz zusammen. Sein Hals war steif, weil er in einer verdrehten Stellung geschlafen hatte.
    »Ich habe keine Zeit für Frühstück«, brummte er.
    »Meine Mutter hat immer gesagt, das Frühstück...«
    »... ist die wichtigste Mahlzeit des Tages. Das hast du mir schon erzählt. Ungefähr hundertmal.«
    Sie verstummte. Dann stand sie auf und ging mit ihrem Kaffee und dem Telefon ins Wohnzimmer.
    »Baby, ich wollte nicht...«
    York seufzte. Manchmal musste man wie auf Eierschalen gehen... Er zog sich ins Schlafzimmer zurück. Als er gerade im Arzneischränkchen nach Aspirin kramte, läutete das Telefon.
    »Für dich«, verkündete seine Frau kühl.
    Es war Detective Bill Lampert. »Trotter ist wieder in der Stadt. Fahren wir ihm guten Tag sagen. Wir holen Sie in zwanzig Minuten ab.«
     
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Raymond Trotter?«
    »Richtig.«
    Bill Lampert und Juan Alvarado standen vor Trotters Gartenbau und Baumschule, einem ausufernden Komplex aus flachen Gebäuden, Gewächshäusern und Pflanzschuppen, und musterten den Mann mittleren Alters. Lampert bemerkte, dass er in sehr guter Verfassung war: schlank, mit breiten Schultern. Das braune, grau durchsetzte Haar war kurz geschnitten, das kantige Gesicht perfekt rasiert, kein Stäubchen auf dem blauen Jogginganzug. Selbstbewusster Blick. Der Detective überlegte, ob sich Überraschung in seinen Augen spiegelte, als er ihre Dienstmarken sah, und vielleicht noch mehr Überraschung beim Anblick von Stephen York, der hinter ihnen stand. Trotter stellte den großen Kaktus ab, den er in Händen hielt.
    »Sir, unseres Wissens haben Sie private Informationen über Mr. York hier eingeholt.«
    »Über wen?«
    Gute Antwort, dachte Lampert. Er wies mit einem Kopfnicken hinter sich. »Über den Gentleman hier.«
    Trotter runzelte die Stirn. »Ich fürchte, Sie irren sich. Ich kenne den Herrn nicht.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja.«
    »Kennen Sie einen Mann namens Hector Diaz? Mexikaner, fünfunddreißig, untersetzt. Er hat als Tagelöhner für Sie gearbeitet.«
    »Ich habe schon Hunderte von Tagelöhnern angeheuert. Von den meisten weiß ich nicht einmal, wie sie heißen. Geht es hier um illegale Immigranten? Ich habe meine Leute angewiesen, sich die Papiere zeigen zu lassen.«
    »Nein, darum geht es nicht. Dieser Diaz behauptet, Sie hätten ihn über die

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