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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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unsichere Terrain – um uns in den nächsten Treibsand zu begeben. Denn in der angeknabberten Ethikstunde geht es nun um ein uraltes Rollenspiel: Vier Schüler finden auf der Straße eine Geldbörse. Inhalt: 500 Euro, keine Ausweispapiere. Was tun?
    Nesrin, Fuat, Hassan und Gamze spielen die Situation vor, und sie diskutieren laut, lange und heftig vor der Klasse. Dann geben sie einmütig bekannt: Sie teilen das Geld durch vier (das dürfte mathematisch noch ein Problem werden), schließlich wisse man nicht, wem es gehört hat, und niemand, auch die Polizei nicht, wird je herauskriegen, wer der ursprüngliche Besitzer sei.
    Nur Nesrin hat ein bisschen Skrupel. «Ich nehm mein Geld und bring ihn zur Moschee und spende ihn», sagt sie und grinst verlegen.
    «Voll dumm!», ruft Fuat.
    Weiter kommen wir nicht. Mist! Es klingelt.
    Morgen haben wir schon wieder Ethik. Vallah! Manchmal wünschte ich mir, ich dürfte Mathe und Latein unterrichten.

[zur Inhaltsübersicht]
    Ostern ist vorbei
    Flashback
    «Emre ist krank.»
    «Turgut ist wieder da!»
    «Frl. Krise, Ihre Haare sehen heute Jäckpott aus!»
    «Können wir Hof in Deutsch gehen?»
    «Fällt Bio aus, Frl. Krise?»
    Mehrere Schüler fallen gleichzeitig über mich her, als ich mich in der ersten großen Pause zur Aufsicht auf dem Hof zeige. Ich nicke freundlich nach allen Seiten und trinke erst mal einen Schluck Cola, denn beantworten kann man all das so schnell und gleichzeitig eh nicht. Doch da dringt langsam ein Satz in meine Gehirnwindungen! Was sagte da gerade jemand? Doch nicht etwa: «Turgut ist wieder da!»
    Und schon habe ich einen mega-mies krassen Adrenalinstoß.
    Turgut ist seit etwa vier Wochen zum zweiten Mal im Probeunterricht einer Projektschule, weil es bei uns nicht mehr vor und zurück ging: zweimal nacheinander in der gleichen Klassenstufe sitzengeblieben, verhaltensauffällig und renitent, keine Aussicht mehr auf einen Schulabschluss. Mit und manchmal auch gegen Sozialarbeiter und Jugendamt hatten wir es geschafft, ihn wieder an eine Projektschule zu bringen, wo er nun endgültig versuchen sollte, mit viel Praxis und wenig Theorie doch noch zu einem Schulabschluss zu kommen.
    Das Adrenalin lässt mich schnell reagieren, ich drehe mich wie ein geölter Blitz um meine eigenen Achse – und DA! Da steht er. Nein! Meine Gesichtszüge entgleisen.
    Ich gebe zu, ich habe nicht pädagogisch wertvoll reagiert.
    Turgut grinst und sagt: «Sie haben mich rausgeschmissen, die Hur… rhöm! Ich habe geschwänzt. Kann ich was dafür? Ich habe geschlafen Montag, weil ich spät Bett war!»
    «Welcher Montag?»
    «Montag nach erste Mai, ich war noch unterwegs lange!»
    «Ach sooooo … Und wann noch?»
    «Letzter Freitag. War nicht meine Schuld! Guck mal, Frl. Krise, meine Eltern sind Türkei. Hat mich keiner geweckt. Kann ich doch nicht dafür, vallah!»
    Alles klar.
    Dass er noch ein paar Male mehr gefehlt hat, stellt sich dann bei dem Gespräch heraus, dass ich nach dem Unterricht mit seinem Lehrer führe. Der sagte: «Leider übernimmt er keinerlei Verantwortung für sich, und die Eltern sind ja auch nicht gerade kooperativ. Er ist nicht rausgeschmissen worden, sondern erst mal suspendiert. Wie müssen uns mit dem Jugendamt und seinem Sozialarbeiter beraten.»
    Na schön, dass es diesmal nicht ich bin, die so böse Sätze sagt. Der Sozialarbeiter kann jetzt mit der anderen Schule schimpfen. Die sind anscheinend genau so vernagelt wie wir. Wie auch immer, das kann bös enden. Für Turgut sowieso, aber ebenfalls für unsere Klasse, der die turgutlose Zeit sehr gut getan hat. Von meinen Nerven will ich gar nicht sprechen.
    Meine gute Laune ist jedenfalls im Keller, und die beiden nächsten Bio-Stunden, an denen er teilnimmt, verbessern sie nicht. «Bin Laden lebt!», schreit er zum Beispiel mitten in eine Stillarbeitsphase hinein. Sehr hilfreich.
    Nach Bio ist er plötzlich verschwunden.
    Dafür sind die anderen ganz liebreizend.
    Kleines dickes Ömür sagt, als wir über Hausstauballergien sprechen, verträumt: «Frl. Krise, ich bin aus Sternenstaub! Wir alle, oder?» Und er setzt noch eins drauf: «Ich bin unsichtbar!»
    Wir streiten das vehement ab. Sternenstaub, na ja … Aber unsichtbar? Wie kommt der jetzt darauf?
    Er verbessert sich: «Ich wollte sagen, unsicher.»
    Necla erzählt zur Pollenallergie, dass sie seit dem Wochenende ganz verklebte Augen habe, sie vermute, es sei wahrscheinlich eine «Blindenhautentzündung».
    So schwankte ich heute wie

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