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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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Wir verlieren sie nicht. Unsere Schule befindet sich im Umbruch zwischen zwei Schulformen, und deshalb können alle, wenn sie wollen, weiterhin bei uns bleiben und mit in die nächste Klassenstufe aufsteigen. Und das werden sie tun, das weiß ich heute schon. Und ehrlich gesagt: Ich finde das gar nicht so übel …
    Denn meine Kapalken sind mir ans Herz gewachsen. Trotz allem.

We are the champions
    Der ganze Tag heute steht im Zeichen des Sports. Unser jährliches Sportfest kurz vor den Sommerferien beginnt gleich. Ha! Unter einem Fest stelle ich mir eigentlich etwas anderes vor …
    Selbst noch nicht ganz im Besitz meiner sieben Sinne, begrüße ich meine lieben Schüler um halb neun auf dem städtischen Sportplatz, auf dem wir immer unser Sportfest «feiern», mit einem ungewöhnlichen, aber freundlichen «Salve!».
    «Was Salbe! Warum Salbe?», ist die irritierte Antwort von vier Hanseln aus meiner Klasse. Denn nur Hassan, Gülten, Mustafa und Ömür hocken einsam unter dem Schild «8b» auf der Tribüne, und mein cremiger Gruß macht ihre Laune auch nicht besser. Die anderen trudeln alle deutlich verspätet ein, aber ich rege mich ausnahmsweise kein bisschen auf. In den Parallelklassen sieht die Personallage nämlich fast genauso mau aus.
    Komisch ist, dass Schülerinnen wie die unsportliche Jenny oder Leila, die normalerweise in unförmigen grauen Jogginghosen in die Schule kommen, ausgerechnet heute ziemlich schick aussehen. Die kleinen Miniröckchen und knappen Röhrenjeans sollen wohl signalisieren, dass sie auf gar keinen Fall daran denken, mitzulaufen, zu springen oder zu werfen. Dabei müssen ohnehin nicht alle mitmachen. Es ist nicht mehr wie früher bei den – wie hieß das noch gleich? Bundesjugendspielen? Da mussten wir alle ran. Nein, heute sind es aus jeder Klasse nur einige Auserwählte, die stellvertretend für die Klasse kämpfen. Aber man weiß ja nie. Wenn so jemand ausfällt, könnte es kritisch für die Tribünenzuschauer werden.
    Am sportlichsten durchgestylt sind eindeutig die Lehrer. Dabei müssen sie doch bloß die Ergebnisse der körperlichen Betätigung ihrer Anvertrauten in unübersichtliche Tabellenteile übertragen. Ehrlich gesagt (ich schäme mich nicht, es zuzugeben), auch ich trage Turnschuhe – und das ist gut so. Denn es zeigt sich bald, dass die Einzige aus meiner Klasse, die ohne Unterlass den Sportplatz rauf- und runtertrabt, ich bin. (Abo, so ein Sportplatz ist echt riesig!) Nach jeder Disziplin stehe ich nämlich ohne Schüler da, die haben sich schnell wieder in alle Winde verstreut. Ich schreie und hetze mir die Lunge aus dem Leib, um sie zusammenzutrommeln, was aber nur äußerst mangelhaft gelingt.
    Und so kommt es, wie es kommen muss! Unsere Klasse wird die letzte von allen Klassen, ja, sogar die letzte im Fußballturnier, das zum guten Schluss auch noch ausgetragen wird. Ich bin trotzdem stolz auf meine Schüler. Keiner trug ein so schickes grünes Käppi wie Ali, niemand außer unserer Nesrin kam auf die Idee, beim Endspurt des 75-Meter-Laufs mit einem Kaugummi dicke, fette Blasen zu produzieren. Und den grandiosen Einfall, während des Meilenlaufs sich mit einem Wurstbrötchen zu stärken, hatte als Einziger … Fuat!

«Mir ist nich warm!»
    Kurz vor der siebten Stunde. Nach der Mittagspause bin ich die Erste im Klassenraum. Ist das warm hier! Ich reiße das Fenster auf, die Tür, Durchzug, aaahhhhh …
    Alle nicht befestigten Papiere fliegen wild durch den Raum. Von mir aus! Die Einzige, die hier mal was aufhebt, bin sowieso ich. Diesmal können das die Schüler machen.
    Es klingelt. Merve und Mariam gucken mürrisch um die Ecke.
    «Was das?», fragt Merve stirnrunzelnd und guckt auf den Fußboden.
    «Jaaaa, keine Ahnung», flunkere ich. «War schon so, als ich reinkam.»
    Die Mädel setzen sich und wedeln sich Luft zu. Merve hat ein knallrotes Gesicht.
    Kein Wunder! Sie hat einen bodenlangen Rock an, ein langärmeliges T-Shirt, darüber einen langärmeligen Wollpulli (bestimmt aus Polyester), und sie trägt ein großes Kopftuch, das auch den Hals- und Schulterbereich abdichtet. (Unter dem Kopftuch gibt es noch eine eng anliegende Kappe, die die Haare festhält.) Wenigstens hat sie ihren langen Mantel ausgezogen! An den Füßen erkenne ich Turnschuhe.
    Mariam sieht so ähnlich aus. Auch sie fächelt sich Luft zu.
    «Du hast doch wohl keine Strumpfhose an, Merve?», frage ich.
    «Doooooch», sagt Merve.
    «Dir muss kochheiß sein, zieh wenigstens mal den

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