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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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Pulli aus!»
    Merve funkelt mich böse an: «Mir ist nich warm.»
    Mariam echot: «Uns ist nich warm.»
    Und Jenny, die gerade in einem beneidenswert luftigen Kleidchen hereinstürzt, erklärt: «Denen ist nich warm, Frl. Krise, die sind das gewöhnt!»
    Inzwischen trudeln alle so nacheinander ein, hat ja auch erst vor Stunden geklingelt.
    «Übertrieben warm hier!»
    «Lass ma rausgehen, Frl. Krise.»
    «Vallah, ich schwitze krass!»
    «Ey, Frl. Krise, komm, wir gehen Eisdiele!»
    «Nix da», sage ich. «Hebt erst mal die Blätter auf! Bitte! Das sieht hier ja aus wie …»
    «Heb doch selber auf», sagt Fuat, der mir in letzter Zeit ganz schön auf den Wecker geht.
    «Fuat! Duz mich nicht! Und jetzt hilf mal!»
    Fuat denkt nicht daran. «Ist mir zu warm», sagt er mürrisch.
    «Zieh mal deine Jacke aus, Fuat», sage ich. «Dann wird’s schon gehen.» Fuat trägt seinen unvermeidlichen schwarz-weiß gestreiften Kapuzenpulli.
    «Nö, die Jacke ist nich warm!»
    «Jetzt schlägt’s dreizehn.» Ich bin erbost. «Ihr jammert rum, es ist zu warm, es ist zu warm, und dann sitzt ihr da in kompletter Wintermontur. Die Jacke hast du selbst bei minus 20 Grad Celsius angehabt, Fuat. Ohne noch was drüber! Und ihr Mädels habt im Winter auch nicht viel anders ausgesehen als jetzt. Kein Wunder, wenn ihr schwitzt und fix und foxi seid.»
    Fuat sieht mich streng an. «Das mit den Mädchen verstehen Sie nicht, Frl. Krise», sagt er und zieht immerhin seine Jacke aus.
    Ich verstehe es wirklich nicht. Und ich erreiche auch nichts mit meinen Reden. Ich weiß das. Von mir aus sollen sie Kopftuch tragen! Und ich habe auch gar nichts gegen Kleidung, die die Körperkonturen verhüllt. Aber diese Kleidung sollte doch bitte schön der Temperatur angepasst sein, und das ist dieser ganze mehrlagige (Plastik-)Kram definitiv nicht! Gestern, auf dem Sportplatz, kippten die Mädchen nach den Läufen fast um, flüsterten aber noch in Schocklage: «Mir ist nich warm!» Sollen sich doch die Koranlehrer, die ihnen diese Outfits verordnen, so verpacken, denke ich erbost, mit langer Unterhose im Sommer und Kopftuch und allem Drum und Dran! Und dann sollen sie mal auf dem Sportplatz 1600 Meter laufen. Liegen sie kollabiert am Boden, würde ich tröstlich sagen: «Dir ist nich warm …»

Schöner Proben
    Heute Morgen haben wir die letzte Theaterprobe vor der Generalprobe und der Premiere. Nächste Woche ist es so weit. Ich möchte lieber nicht dran denken …
    Und es geht auch gleich schlecht los. Zwei Darstellerinnen fehlen! Vanessa und Hülya. Na toll! Dabei hatte ich Tod und Teufel angedroht, sollte jemand krank werden oder schwänzen. So, die Fehlenden kicken wir deshalb erst einmal ganz ohne Erbarmen heraus. Die werden nicht mehr mitspielen! Waren ohnehin unzuverlässig. Aus diesem Grund müssen wir die kleineren Rollen zwar erneut anders verteilen, aber das ist kein großes Problem. Wir üben jetzt seit so langer Zeit, dass fast jeder jeden Text kann.
    Die Stimmung bessert sich, ich lege ein bisschen Musik zur Entspannung auf. Tief atmen wir ein und aus, und da sagt Emre: «Aber wer spielt denn eigentlich den Vater?» Erst jetzt merke ich, dass eine kleine, aber ziemlich wichtige Rolle immer noch unbesetzt ist. Stimmt! Darüber hatten wir uns schon letztes Mal Gedanken gemacht. Wie konnte ich das vergessen!
    Jetzt haben wir ein echtes Problem, unsere Personaldecke ist wirklich zu dünn. Bestürzung, Ratlosigkeit, lautes Debattieren, Geschrei und Heulkrampf seitens der Hauptdarstellerin, Wutanfall meinerseits. Schließlich tue ich das, was in so einer Situation getan werden muss.
    «Ungewöhnliche Umstände erfordern ungewöhnliche Maßnahmen», erkläre ich vollmundig. «Ich beschaffe uns einen neuen Schauspieler.»
    Augenblicklich turne ich in den dritten Stock hoch und frage in einem naturwissenschaftlichen (!) Kurs nach, ob ich mir einen Schüler ausleihen kann.
    Irgendeinen?
    Ja, irgendeinen!
    Alle schreien begeistert: «Hier ich! Ich! Frl. Krise, iiiiiiiich!» (Die Schüler müssen gerade etwas Längeres abschreiben.) Als ich dann aber erkläre, worum es geht, lässt die Begeisterung gleich deutlich nach.
    Upps, Theater – oh mein Gott!
    Und Premiere auch schon nächste Woche? Nee, danke schön!
    Was? Vor richtigem Publikum?
    Hilfe – niemals, ich schwör!
    Ein Schüler mit Namen Hassan lässt sich schließlich bequatschen und geht zögernd mit. Ich bin sehr angetan von ihm, ein gut aussehender Junge (er könnte der Sohn von Jogi

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