Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel
verhedderte Band wieder aufzuspulen und es mit Tesafilm zu kleben? Nicht mal Privatfernsehen gab es!
Necla runzelte die Stirn und sagte ungläubig: «Frl. Krise, bloß zwei Programme! Niemals!»
«Doch, so war das wirklich. Mehr gab es nicht.»
«Frl. Krise, wissen Sie was? Die armen Kinder! Haben die nicht mal gesagt, sie brauchen mehr?»
Necla! Sie kann nicht verstehen, dass die Übersichtlichkeit des Fernsehprogramms auch seine guten Seiten hatte. Beinahe jeden Morgen wurde es durchdekliniert, sowohl im Lehrerzimmer als auch in den Klassen. Mit den schwierigsten Schülern hatte man schon vor dem ersten Konflikt einen kleinen, von allen Problemen unbelasteten Gesprächsanknüpfungspunkt. «Hast du das gesehen? Oder das?» So wie das heute nur noch beim Fußball und Germany’s Next Topmodel funktioniert.
Und welche Erziehungsprobleme das Fernsehen aufwarf! Ich erinnere mich an lange Diskussionen auf Elternversammlungen. Da wurden Fragen diskutiert, die ich seit bestimmt fünfzehn Jahren nicht mehr gehört habe: «Wie lange darf ein Kind am Tag fernsehen? Welche Sendungen sind für ein Kind geeignet? Ist Fernsehen schädlich für die Augen? Darf man es als Belohnung oder Bestrafung einsetzen? Werden Kinder bei hohem Fernsehkonsum unkreativ? Leidet ihre Phantasie? Oder ihre Konzentrationsfähigkeit? Gibt es eine Fernsehsucht? Kann man es verantworten, einem Zwölfjährigen ein eigenes TV-Gerät ins Zimmer zu stellen?»
Schnee von gestern.
Bei solchen Fragen würde mich nicht nur Necla groß ansehen, sondern auch ihre Eltern.
Susi haut Murat
«An den Schulen mit überwiegender Migranten-Schülerschaft werden die letzten Deutschen gemobbt und gedisst», erfahre ich in den Herbstferien aus den Medien. Na ja, meine Schule ist ja auch so eine – nur zwei Bio-Deutsche, Jenny und Hanna, sind in meiner Klasse. Vor denen haben aber alle Angst, echt, sogar ich!
Nee, also mal im Ernst, bei uns ist das so: Gedisst werden immer die Opfertypen, ziemlich egal, welche Nationalität sie haben. Die erkennt man schnell: Es sind meistens Jungen, linkisch und unsportlich, leistungsmäßig selten besser als die anderen, aber mit einem professoral zerstreuten oder verschrobenen Verhalten. Sie reden entweder viel zu viel oder viel zu wenig, und sie suchen die Nähe des Lehrers mehr als die anderen.
Sind solche Jungs türkischstämmig, geht es ihnen vielleicht sogar noch ganz gut, denn dann werden sie von den vielen anderen Jungen gleicher Herkunft geschützt. Nicht immer, aber oft! Ist das Opfer ein deutsches Kind, wird der Schutz eher mager ausfallen, wenn es kaum deutsche Kinder in der Klasse gibt. Andersrum läuft es genauso: An einer überwiegend deutschen Schule sind es die drei Türken in der Klasse, die gedisst werden.
Das Dissen ist also nach meiner Erfahrung mehr eine Minderheitenproblematik, weniger eine Deutschen- oder Ausländerfeindlichkeit.
«Respektlosigkeiten muslimischer Schüler gegenüber Frauen», lese ich weiter.
Unsere Schüler sind in der Regel ziemlich unerzogen. Alle aller Nationalitäten! Sie haben wenig Benehmen, ein großes Mundwerk und im Grunde kaum Selbstbewusstsein, auch wenn sie noch so tönen. «Respekt» ist zwar ihr Lieblingswort, aber sie wissen gar nicht, was das ist. Direkt frauenfeindliches Verhalten habe ich noch nie erlebt, wohl aber das «normale» lehrer-/lehrerinnenfeindliche Verhalten: «Scheiß Herr Wolf/Blödes Frl. Krise, sind schuld an Sitzenbleiben von Fuat, vallah!»
Wenn es gelingt, eine halbwegs gute Beziehung herzustellen, sind unsere Schüler supernett, manchmal bis zur gnadenlosen Distanzlosigkeit, gerade zu den Lehrerinnen. Denn freundliche Resonanz schmeichelt ihrem Machotum.
Bin ich jetzt so milde, weil Herbstferien sind?
[zur Inhaltsübersicht]
Nach den Herbstferien
Dreimal Kopftuch
Mesut Özil dürfte, wenn er wollte, bestimmt mit Kopftuch spielen, das wäre allen Fußballfans egal. Hauptsache, er schießt Tore für Schland, für uns ! (Bei der Burka würde Jogi vermutlich aus modischen Erwägungen Einspruch erheben.) Aber meine kleine Eda aus der siebten Klasse, die ein Kopftuch trägt, wird von einer ziemlich prolligen Passantin angeranzt: «Ey, du da! Schrei mal nich so rum hier! Mit Kopftuch! Aber hier rumschreien!» Und dann sagt die Frau auch noch zu ihrem Mann, der schon vormittags eine Bierflasche in der Hand hält: «Kopftuch! Aber kein Benehmen! So was brauchen wir hier gerade!»
«Hier» ist Deutschland, vermute ich mal. Die Bushaltestelle, an
Weitere Kostenlose Bücher