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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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vallah, ich schwör auf Koran!»
    «Komm, hör doch auf!» Ich bleibe ganz kühl und drehe mich ein bisschen, so als ob ich gehen wollte. «Schon klar», fahre ich fort. «Er ist ein Schwarzer … Deshalb sagst du das. Nur deshalb!»
    Erkan hält mich fest, er guckt mich hilflos an. «Nein, niemals! Das is bescheuert, wegen schwarz, nein, ehrlich jetzt», stammelt er.
    «Erkan, genauso bescheuert machst du das immer mit mir. Erst neulich, weißt du noch? Als die Wände oben bemalt waren. Da hast du mich angeschrien: ‹Sie beschuldigen uns nur, weil wir Türken oder Araber sind!› Siehst du jetzt mal, wie das ist?»
    Erkan nickt. Hat er verstanden? Ich glaube schon.
    Ich lasse ihn stehen.
    Ich weiß immer noch nicht, wer die Treppe versaut hat.
    Egal. Das war’s mir wert.

Gefangen im Netz
    Ich bin jetzt auch Facebook, vallah! Aber ich habe nur wenige Freunde, nur die Schüler meiner Klasse, denn ich will dieses komische soziale Netzwerk rein pädagogisch nutzen, so wie es mir Frau Freitag vorgemacht hat.
    Facebook ist ja wohl der Knaller. Jetzt kann ich sehen, wer mit wem und wann und worüber! Ich bin Frl. Stasi.
    Wir haben Herbstferien, da beobachte ich, wie sich der gemeine Schüler meiner Klasse bis 4.23 Uhr in der Früh im Netz tummelt, um unsinnige Familienfotos, geschmacklose YouTube-Filmchen und kitschige Sprüche herumzuschicken oder um zu chatten.
    Leider switchen die immer vom Deutschen ins Türkische, eigentlich rücksichtslos. Ich sollte ein bisschen mehr Türkisch lernen! Wo sind eigentlich die Bücher von meinem Türkischlehrgang, den ich mal besucht habe?
    In den Ferien ist mir das Facebook-Verhalten meiner Kinderlein völlig egal. Die sollen ja auch ihren Spaß haben. (Die reschtchreibunk blände ich aus – soweit ich das schafe). Aber mir wird schon blümerant bei dem Gedanken, dass das garantiert in der Schulzeit weiter so läuft, bleich und übernächtigt, wie die morgens immer reinschleichen.
    Meine Schüler waren zuerst ganz ungläubig, als ich sie facebookmäßig angeschrieben habe.
    «Hallo, Aynur! Ja, ich bin’s, Frl. Krise! Bitte nicht erschrecken! Ich wollte das hier für unsere KLASSE nutzen, damit ihr mich z.B. beim praktikum nach den ferien erreichen könnt. Wenn es dann irgendwelche probleme gibt oder so …»
    Aynur: «Aha, haha, sehr kommisch Nesrin.»
    Ich: «Nein, nicht Nesrin, ich bin’s, Frl. Krise. Ehrlich!»
    Aynur: «Achso da ist aberein rechtschreib fehler drinne: die klasse und nicht die KLASSE, und hmm da ist doch wer anderer dahinter, ist es vieleicht nesrin oder Fuat? Und Krise ist nicht facebook hat sie gesagt.»
    Ich: Stöhn und fluch …
    In der Art ging’s mit jedem aus meiner Klasse hin und her, bis ich mich endlich aufraffte und ein Bild einfügte. Natürlich war das ausgerechnet ein Foto, das in der Schule aufgenommen worden war, und der misstrauische Ömür bezweifelte immer noch meine Identität.
    Ömür: «Aha foto gibt es viele fotos von ihr in schule ich hab welche las das mal nesrin was glaubst du wer du bist du spast.»
    So sieht also Rechtschreibung aus, wenn sie wegfällt. Wie oft hab ich schon gesagt: «Vielleicht schreibt man mit zwei ll»? Und nach den Ferien gibt’s erst einmal ein paar Stunden zur Zeichensetzung. Ist ja grauenvoll.
    Inzwischen bekam ich aber jede Menge Freundschaftsanfragen von Schülern meiner Schule und ihren Freunden, von Bekannten und Verwandten aus ganz Deutschland und der Türkei. Die waren kein bisschen misstrauisch – die kannten mich nicht mal. Wahrscheinlich deshalb! Sogar mein ärgster Feind, ein ehemaliger Schüler meiner Klasse, der gern die übelsten Storys über mich in der Schule verbreitete, fragte, kaum hatte ich mich angemeldet, ob er sich mit mir befreunden könnte.
    Ich habe ihn weggeklickt. Herrlich. Ein super Gefühl: Klick und – weg!
    Denn ich will ja nur mit meiner Klasse befreundet sein. Sonst ufert die Sache endgültig aus.
    Computersucht! Ich frage mich, wer ist gefährdeter – meine Schüler oder ich?

Die armen Kinder
    «Die Kinder hatten nichts früher, wa, Frl. Krise?», fragte Necla.
    «Nichts», bekräftigte ich
    Die armen Kinder. Sie hatten nichts, vor allem nichts, an das sich hinten die Endsilbe «-phone» oder «-pad» hängen ließ. Kein Handy, keinen Computer, noch nicht einmal einen eigenen Fernseher. Trostlos. Was haben die nur den ganzen Tag gemacht? Außer Musik vom Radio auf Kassette aufzunehmen, sie abzuspielen und dann mit einem Filzstift zu versuchen, das meist

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