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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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ist dein Stundenplan. Und bitte pünktlich!»
    «Vallah, könnte ich nich vielleicht erst mor…» Turgut versuchte zu handeln, aber ich sagte sehr mentalistisch und energetisch: « Hayir und nein!» Und ließ ihn stehen.
    Wer um zehn Uhr nicht erschien, war Turgut. Ich loggte mich sofort bei Facebook ein. Meine Kollegen im Lehrerzimmer waren ganz ehrfürchtig, als ich triumphierend ausrief:
    «Da! Da ist er! Er kommentiert ein Video!»
    Diese modernen Netzwerke – hach, sie verbinden wirklich!
    Ich schrieb eine gepfefferte Nachricht, worauf Turgut vom Schirm verschwand. Zehn Minuten später stand er vor der Tür des Lehrerzimmers.
    «Äh … ich dachte … Sie haben … morgen … ich …», stotterte er vor sich hin.
    Ich zeigte nur stumm in Richtung 10b.

Leben trifft Schüler
    Mannomann! Am ersten Tag aus dem Praktikum fliegen, ich fass es nicht! Da labern wir vor dem Praktikum wochenlang darüber, was man als Praktikant tun und lassen darf, kann, soll, muss, und dann so was … wegen eines Pfandbons! Das glaubt mir doch keiner!
    Mehrmals, ach, was sag ich, unaufhörlich ja geradezu mantramäßig habe ich gepredigt:
    «Und bitte, bitte, lasst bloß nichts aus euren Betrieben mitgehen, nichts, wirklich gar nichts! Man nennt das Klauen oder Stehlen! Es sind schon Leute wegen einer klitzekleinen Frikadelle oder eines halben Brötchens gefeuert worden, ja sogar wegen eines Pfandbons. Erst letztes Jahr flog eine Schülerin wegen einer geklauten Zigarette blablabla …» So sprach ich. Und niemand hörte zu.
    Denn was bekam ich gestern? Am Abend des ersten Praktikumtages? Eine Nachricht über Facebook von Fuat, der ja in einer großen Lebensmittelfiliale arbeitet: «Hallo Frl. Krise, es ist was pasiert was nich so erfreuliches. also es war so ich hatte Feierabend ich wollte mir ein cola kaufen aber hatte zu wenig geld 30 cent oder so und als ich zu kasse ging in der nähe vom Lager sah ich ein Leergutschein sozusagen Pfandschein und ich nahm ihn und ging zu Kasse. als der Kasierer ihn einlösen wollte ging es nicht und er ging zum Büro und auf einmal ruft eine frau mich zum Büro später kam auch der Leiter denn ich gar nicht magg und er sagte zu mir das ich ihn geklaut habe vom Lager und ich sagte das stimmt nicht ich habe ihn auf dem boden gefunden und er meinte sagg deinen Lehrern du brauchst Morgen nicht zu kommen und ich sagte nochmal zu ihm ich war es aber nicht werendessen sagte er du kannst jetz gehen!»
    Beim Lesen bekam ich Atembeschwerden wegen der fehlenden Punkte und Komma. Bei wem hat der Junge eigentlich Deutschunterricht?
    Später rief ich bei Fuat zu Hause an. Seine Mutter war dran. Die Arme tat mir direkt ein bisschen leid. Natürlich verteidigte sie ihr armes, unschuldiges Kind, das so ungerecht behandelt wurde. Ihr Mann war inzwischen mit Fuat beim Filialleiter gewesen, der hatte sich aber als harter Hund erwiesen und sich nicht dazu überreden lassen, Fuat noch eine Chance zu geben. («Noch eine Chance … ich war’s nicht … noch eine Chance … ich war’s nicht …» Lieblingssätze meiner Schüler.) Ganz im Gegenteil: Er drohte sogar mit einer Anzeige, sah dann aber doch davon ab.
    Fuat stand heute früh klein und bescheiden in der Schule auf der Matte, und ich durfte ihn mit in meinen Unterricht im siebten Schuljahr nehmen. Er wirkte ein bisschen geknickt und lächelte mich verlegen an.
    Karl ist dann heute noch mal zu dem Discounter gegangen. Der Pfandbon war übrigens ein Fehlbon; die werden nur im Lager aufbewahrt. Von wegen, lag auf dem Boden … Na ja, Fuat hat jetzt bis morgen Zeit, sich einen neuen Platz zu suchen. Vallah, ich hoffe, es klappt. Denn langsam kriegen wir ein Problem: Wenn das so weitergeht, haben wir in null Komma nichts zwei Gruppen zu verarzten: eine Gruppe Praktikanten, die Karl und ich besuchen müssen, und eine Gruppe Nichtpraktikanten, die wir unterrichten müssen – ist ja toll!

Die reine Erholung
    Praktikum, 3. Tag
    Ich möchte weinen. Ich tu mir echt schon richtig leid. Praktikum, das war doch bisher die schönste Zeit in den vier Jahren, in denen man Klassenlehrerin einer Klasse ist. Der Unterricht fällt nämlich für die betreuenden Lehrer teilweise aus, denn man muss ja in der Gegend herumgurken und die Schüler an ihren Praktikumsplätzen besuchen. Ich liebte das bislang. Aber diesmal: Danke schön auch!
    Gehen wir mal chronologisch vor, es ist schon alles verwirrend genug:
     
Turgut, der seit Montag in den Unterricht einer zehnten

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