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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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Professor. Neuro- Männer ! Da sind doch gar keine Kinder.»
    «Ach so …» Der Professor stutzt. «Gar keine Kinder?»
    «Nein! Neulich hatten wir ja wohl mal diesen einen dementen Jugendlichen, aber sonst … und der war auch nicht gerade … irgendwie …»
    «Ach», der Professor überlegt. «So, so, hm, hm. Das ist ja dumm. Und welche Klasse wollten Sie noch mal adoptieren?»
    «Na, die Klasse, die ich jetzt habe. Die in der Schule, wo ich Tagdienst mache. Und weil ich ja nur eine Dreizimmerwohnung habe, dachte ich, die Kinder könnten auf Station wohnen, neunzehn Stück sind das.»
    Der Professor schweigt einen Moment. Dann sagt er: «Schön, schön, warum eigentlich nicht. Platz haben wir ja. Wer weiß, sicher haben die auch neurologische Erkrankungen.»
    «Ja … äh.» Ich komme ein bisschen ins Schleudern. «Muskeldystrophie, Akne, Entwicklungsstörungen, Tourette-Syndrom und so … und vielleicht … Windpocken? Ich bin ja keine Ärztin, nur Kunstlehrerin mit dem Schwerpunkt Gips und Verbinden.»
    Der Professor seufzt.
    Auf einmal bin ich im Keller der Klinik. Ein langer Gang liegt vor mir. Es ist still und ganz hell. An den Wänden hängen Glasvitrinen mit lauter kleinen Uhren drin. An den Türen steht etwas … ich kann es nicht lesen.
    Ich soll hier irgendwo die Thermometer abgeben und eine Fernbedienung für meinen Wecker holen.
    Mein Mund ist ganz trocken, und mir ist heiß.
    Plötzlich kommt mir Elton John entgegen. Er hat ein Kind an der Hand. Es ist Turgut.
    Sein neuer Sohn, den er adoptiert hat. Er geht an mir vorbei, ich gucke ihm nach.
    Turgut! Elton geht bestimmt zu Borowski, Kind umtauschen.
    «But it’s no sacrifihihice … No sacrifihihice … It’s no sacrifihihice at all …», plärrt es aus meinem Weckradio.
    Elton heult bestimmt schon seit drei Minuten in mein Ohr.
    Vallah, adoptieren … meine Klasse! Niemals! Turgut! Und Elton John … Neuro-Männer!
    Gääääääähn. Was ist los? Wie spät ist es? Habe ich verschlafen?
    Ach nein, es sind ja Weihnachtsferien!
    Ruhe! Elton soll sofort mit Singen aufhören!
    Warum hab ich keine Fernbedienung für diesen Scheiß-Wecker?

[zur Inhaltsübersicht]
    Im neuen Jahr
    Würfeln wäre witziger
    Nur noch wenige Tage bis zu den Zeugniskonferenzen für das Halbjahreszeugnis. Wieder beginnt das große Rechnen …
    Das Notenmachen ist kein pädagogischer Orgasmus, wie meine Schüler heimlich vermuten.
    «Bestimmt voll geil», sagt Emre träumerisch. «Können Sie sich rächen an Schüler, wenn der Sie geärgert hat. Geben Sie einfach schlechte Note, null Punkte – macht bestimmt voll Spaß!»
    Ich gebe zu bedenken, dass es bei den Zeugnissen um Objektivität geht. Wenn es um das «Rächen» ginge, sähen die Zeugnisse wohl noch schrecklicher aus.
    «Es gibt nämlich keinen, über den ich mich nicht schon mal geärgert hätte, Emre!»
    «Aber doch nich über mich, Frl. Krise!» Emre überlegt. «Oder?»
    «Du bist ja auch voll Lieblingskind», sagt Gülten. «Voll der Knecht! Haben Sie sich schon mal über mich geärgert, Frl. Krise? Nee, wa?»
    «In den letzten zwei Wochen nicht», gebe ich zu.
    «Siehste!» Gülten guckt triumphierend in die Runde. Dass sie fast zwei Wochen krank war, hat sie, so scheint’s, vergessen.
    Die Notenermittlung ist wirklich unerbaulich. Echt jetzt!
    Es fängt immer harmlos an: Zuerst rechne ich ganz kühl und technisch und ohne pädagogischen Hintersinn die Noten zusammen, die schriftlichen, die mündlichen, die sonstigen und überhaupt. Am besten mit dem Taschenrechner. Das ergibt dann natürlich eine krumme Zahl, die genau zwischen zwei Noten liegt, sagen wir mal, bei Mustafa in Deutsch zwischen Vier und Fünf.
    So, jetzt geht’s los. Soll ich ihm nun die bessere oder die schlechtere Note geben? Gebe ich ihm eine Vier, ruht er sich darauf aus – eine Fünf entmutigt ihn bestimmt. Oder spornt ihn an. Oder nicht. Oder doch?
    Was ist mit dem Trend los? Gibt es einen Trend bei Mustafa? Womöglich einen positiven, den man belohnen müsste? Unterstützen, aufbauen, verstärken? Nee, es ging mehr bergab! Er fing schwach an und baute dann stark ab. Obwohl er eigentlich will!
    Könnte der Schock einer Fünf den Sturz ins Bodenlose vielleicht abbremsen? Aber er hat schon einige Fünfen, das beeindruckt den eh nicht mehr.
    Oder wäre eine Vier beflügelnd? Aufmunternd? Motivierend? Eigentlich ist Musti doch ein Sensibelchen, auch wenn er versucht, den Coolen zu markieren.
    Hach, wäre ich doch

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