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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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Bäckereifachverkäuferin geworden. Den netten Kunden hätte ich immer die schönsten Brötchen gegeben …
    Mustafa hat viel gefehlt. Da war nicht alles entschuldigt … Kann man deshalb noch was abziehen? Möchte ich? Soll ich? Muss ich?
    Und wie oft kam der zu spät in den Deutschunterricht? Nö, im Grunde war der immer pünktlich, erstaunlich eigentlich. Erfreulich!
    Er hatte als Einziger neulich sein Referat ordentlich getippt – wer weiß, wer das für ihn gemacht hat. Und er hatte sein Buch immer dabei, sogar als ich gesagt habe, wir brauchen das erst mal nicht. Das ist wohl mehr ein schlechtes Zeichen, unorganisiert und unflexibel nennt man das.
    Und er hat wochenlang freiwillig den Zeitungsstapel mehrere Treppen hochgeschleppt.
    Und er grüßt mich immer, wenn er mich auf dem Hof sieht.
    Und Freitag hat er gesagt, er will jetzt unbedingt in meinen Theaterkurs.
    Und er hat so einen trockenen Humor, neulich hat er gesagt …
    STOPP!
    Spätestens an dieser Stelle rufe ich mich zur Ordnung. Das ist alles nicht notenrelevant, Frl. Krise, bleiben wir mal schön objektiv, sage ich streng zu mir und schreibe eine unbarmherzige Fünf in mein Heft. Die Versetzung ist auch ohne meine Note gefährdet, murmele ich mein schlechtes Gefühl nieder. Schließlich muss ich dem mal zeigen, wo es langgeht! Der meint auch, er bekommt alles nachgeschmissen. Das ist nun mal nicht so im Leben, Mustafa. Tut mir leid!
    Beim Eintragen der Fünf in die Zeugnisliste im Computer geht’s dann wieder los. Mir fällt plötzlich ein: Da war doch im Herbst der Opa gestorben. An dem hing der Junge. Er war eine Weile richtig depressiv. Na ja, depressiv ist vielleicht ein bisschen übertrieben, er war bedrückt. Aber schließlich haben alle ihr Päckchen zu tragen, Azzizes Papa ist auch krank und sie …
    Es klopft. Kollege Böck macht die Tür auf und ruft: «Kundschaft für dich, Frl. Krise.»
    Vor der Tür steht Mustafa. Er lächelt mich an und sagt: «Hier, Frl. Krise, Ihre Eddings, die haben Sie oben liegen lassen!» Ich bin gerührt. Meine neuen Edding-Stifte! Die anderen hätten die garantiert gnadenlos eingesteckt und sexistische Parolen im Klo in grauenhafter Rechtschreibung an die Wand geschrieben.
    Notenmachen soll ein Vergnügen sein? Nein wirklich nicht, Emre!
    Was ich Mustafa in Deutsch gegeben habe? Verrate ich nicht. Aber er wird sich freuen. Ich muss ihm nur eindringlich sagen, dass das mehr als knapp war.

Zukunftsmusik
    Nächste Woche ist das Halbjahr vorbei. Man glaubt nicht, wie schnell das geht. Und das Sommerhalbjahr ist noch kürzer, da gibt es Pfingsten, Osterferien, Feiertage, Brückentage, Hitzefrei – und dann sind wir schon im zehnten Schuljahr. Teilweise jedenfalls. Etwa zehn Schüler werden es wohl nicht schaffen, falls nicht noch zehn Wunder geschehen. Nesrin glaubt fest daran.
    Heute Morgen kommt sie zwanzig Minuten zu spät in den Deutschunterricht. Nein, das war nicht ihre Schuld, ganz ehrlich. Sie hat den Bus verpasst. Abooo, was kann sie dafür, wenn sich das neckische Band auf ihrem Kopf weigert, sich so binden zu lassen, dass eine Art spitzer Schleife entsteht. «Echt, jetzt, vallah … Das ist schwierig! Versuchen Sie das mal, Frl. Krise!»
    Ich kann mich kaum noch einkriegen. So viel Ignoranz! Wenn ich das schon höre: «Was kann ich dafür, wenn ich den Bus verpasst habe?» Ich fühle mich wie ein Atomkraftwerk, das sich kurz vor einer schweren nuklearen Havarie befindet. Aber cool down, Frl. Krise, sage ich mir mühsam, soll sie doch machen, was sie will. Es hat überhaupt keinen Sinn, dass du dir hier sinnlos dein Nervenkostüm ruinierst und sich die Zornesfalte auf deiner Stirn noch tiefer eingräbt. (Bezahlt der Schulträger eigentlich Botox-Spritzen für Lehrerinnen in Brennpunktschulen? Vielleicht aus dem Topf für Verbrauchsmaterial? Ich komm mir schon ziemlich verbraucht vor … Muss mal Frau Freitag fragen, die ist firm in so was.)
    Nach Deutsch habe ich eine Freistunde. Das Wort «Freistunde» täuscht, ich habe jede Menge zu tun. Ich sitze im Lehrerzimmer, eingeklemmt zwischen Frau Herz und meinen Bücherstapeln, und arbeite. Briefe schreiben, Bilder benoten, Arbeitsblätter aufsetzen.
    Es klopft.
    Kollege Böck macht wieder mal auf und ruft: «Frl. Krise, da ist ein junger Mann für dich.»
    In der Tür steht ein großer, kräftiger Kerl, der mich so begeistert anstrahlt, als wäre ich die Paris Hilton der deutschen Pädagogenszene.
    «JACK!!!»
    «FRL. KRISE!!!»
    Er fällt mir um

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