Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel
dass mich das ganze Dorf aus diesem Auto aussteigen sah. Mein guter Ruf! Was sollten die Nachbarn denken!
Doch Meik kutschierte mich genau bis vor die Haustür. Das ließ er sich nicht nehmen.
«Damit dir nichts passiert», sagte er fürsorglich. Er lächelte mich an.
«Danke, Meik.»
«Frl. Krise», sagte er, «war doch schön in der Schule, oder?» Dann winkte er und gab Gas.
Die Nachbarin hing im Fenster und guckte so, als sei mir schon etwas passiert.
Hl. Valentin, hilf!
Valentinstag! Ein wichtiger Tag für unsere Schüler. Überall werden Blumen überreicht und entgegengenommen, natürlich rote Rosen – die von der Tanke, was sonst! Ich bin überzeugt, meine Schüler glauben, die wachsen da auch, vielleicht im Keller, genetisch bedingt schon in durchsichtige Folien gehüllt. Fikri, ein Junge, der früher in unserer Klasse war, hat Hanna auch so eine geschenkt. Fünf Euro hat die gekostet, erzählt sie stolz.
Leider wird die Rose den Tag nicht unbeschadet überleben.
Hanna muss der Mädchenwelt demonstrieren, dass sie eine Auserwählte ist, die eine Blume von einem Jungen bekommen hat, und schleppt sie deshalb den ganzen Morgen mit sich rum. Vom Klassenraum zum Bio-Raum und zurück, in die Mittagspause auf den Hof, wieder in den Klassenraum und schließlich auch noch in die Turnhalle einer benachbarten Schule. Bis 16 Uhr ist heute Unterricht – ganz schön lange für die arme Blume, so ohne Wasser … Und dann noch die mechanische Beanspruchung …
In Deutsch ist es Hanna langweilig, also zerfuselt sie schon mal ein paar Blättchen, und als Musti ihr zu nahe kommt, setzt sie das bedauernswerte Gewächs wie eine Fliegenklatsche ein. Je länger so eine Rose ist, umso besser geht das, stelle ich fest.
Hannas Rose ist zum Glück außergewöhnlich lang.
Das heißt, sie war es, denn bei einer der Attacken bricht der Stängel.
Nun ist die Rose etwas kürzer, Fikri hätte gleich eine etwas billigere nehmen können, denke ich. Hanna schreit auf und geht auf Musti los, diesmal ohne Rose. Sie beruhigt sich aber schnell wieder – der Triumph, als Einzige aller Mädchen in der Klasse von einem Jungen (!) eine Rose erhalten zu haben, wird durch die Stängelreduzierung ja nicht geschmälert.
In den Augen der anderen Mädchen ist diese Gabe allerdings nicht unbedingt positiv zu werten, in ihren Augen ist Hanna «deutsche Schlampe». Wie sie immer mit Fikri herumknutscht!
Zum Glück ist das Hanna herzlich egal. Aber ich fürchte – oft genug habe ich das erlebt –, auch Fikri wird nach Beendigung der «Affäre» so über sie reden, und das könnte schon mehr schmerzen.
Die anderen Mädchen haben sich gegenseitig Rosen geschenkt, die billigen, die zu 2,50 Euro. Besser als nichts.
Freunde haben sie ja keine. Ist verboten! Die Jungfernschaft … das Jungfernhäutchen, ich fang lieber nicht davon an, sonst rege ich mich auf. Dazu passt, dass mir heute eine Kollegin erzählte, eine Schülerin aus dem neunten Jahrgang habe in Bio die Vorstellung geäußert, das bewusste Häutchen sei transparent und hinter ihm sei so etwa ein halber Liter Blut gestaut. O heilige Unaufgeklärtheit!
In einer achten Klasse, in der ich Vertretung habe, geht es natürlich auch um den Valentinstag. Ich werde herzlich bedauert, dass ich keine einzige Tankstellenrose geschenkt bekommen habe. (Ja, echt, Männe, ich bin auch ein bisschen enttäuscht. So eine Fliegenklatschen-Rose hätte ich bei der Aufsicht heute gut brauchen können.)
Eine kleine Mädchengruppe nutzt dann die günstige Gelegenheit, ein paar Fragen zum Thema Liebe und Sexualität loszuwerden. (Die hatten aber alle schon Sexualkunde! Auch die Neuntklässlerinnen!) Nach einigem Gekichere werde ich gefragt, was eigentlich in einem Swinger-Club geschähe? Zu dumm, dass ich noch in keinem drin war! Meine Informationen stammen leider nur vom Wissenschaftskanal RTL.
Die Mädels nehmen meine leicht verworrenen Mitteilungen gefasst auf. Hatice sagte mit Grabesstimme: «Neben unserem Haus ist Swinger-Club!»
«Wenn das deine Mutter wüsste», sagte Sara, die offensichtlich der Meinung ist, dass Mütter noch an die unbefleckte Empfängnis glauben.
Hassan auf dem falschen Dampfer
«Wenn es um richtige Probleme geht, muss Mann entscheiden!», sagt Hassan und zieht sofort den geballten Widerspruch aller Mädchen und der Deutschlehrerin auf sich. Die Deutschlehrerin bin ich.
Wir haben gerade ein Lesestück gelesen, in dem sich der Vater – aus der eher türkischen Sicht
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