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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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meiner Schüler – aus der Verantwortung für die Tochter schlich. Er war nämlich nicht dagegen, dass sie mit sechzehn einen festen Freund hatte. (Was für den Inhalt des Textes übrigens unbedeutend war, es ging um ein ganz anderes Thema.)
    «Was nennst du denn ein richtiges Problem?», frage ich.
    Hassan überlegt eine Weile und sagt dann: «Na ja, äh … hm … ja, also … zum Beispiel, ob man ein Kind kriegen soll, wenn Frau nicht will.»
    Huh! Wären meine Mädels jetzt bewaffnet, hätten wir auch ein Problem, nämlich die unauffällige Entsorgung einer Leiche.
    «Was denkt er, wer er ist, voll der behinderte Spast!»
    «Geh Kinderarzt, du Missgeburt!»
    «Denkst du, Frau lässt sich alles gefallen! Niemals!»
    «Schon mal was von Pille gehört?»
    «Sind wir Knecht, oder was!»
    «Vallah, voll übertrieben der Junge, ich schwör’s!»
    «Tschüüüsch! Nimmt man heimlich Pille!»
    Die Mädchen gehen das Problem pragmatisch an. Heimlich Pille nehmen und fertig.
    Hassan weiß sofort, wie er reagieren würde: «Dann schließ ich Frau ein, dass sie nicht mehr rauskommt!»
    Jetzt geht’s aber richtig los. Die Mädchen sind zum Teil aufgesprungen, sogar Nesrin hat ihren Schminkspiegel fallen lassen und fuchtelt mit der Bürste in der Luft herum. Ich höre die Begriffe «Gesetz» und «Polizei».
    Hassan zieht den Kopf ein, und ich versuche mit Macht, etwas Struktur in die Schreierei zu bringen. Ich frage Hassan: «Hassan, möchtest du später mal eine Ehefrau oder eine Gefangene haben?»
    Hassan schluckt und wird ein bisschen rot. «Nein», sagt er, «so habe ich das nicht gemeint. Aber meine Mutter fragt meinen Vater auch immer, bevor sie rausgeht.»
    Sofort fangen alle gleichzeitig an zu erzählen, wie das zu Hause ist, wer das Sagen hat, wer wen was fragen muss und wer nicht.
    Viel verstehen kann ich nicht, aber es hört sich eigentlich ziemlich ausgewogen an.
    Menno, die sollten doch jetzt eine Inhaltsangabe machen, denke ich. Wie sollen die jemals irgendeine Prüfung schaffen, wenn wir das alles nicht richtig üben?
    Aber die Inhaltsangabe muss warten.
    Ömür, der mit seiner Mutter alleine wohnt, berichtet, dass er die Bankgeschäfte erledigt. «Meine Mutter spricht zu schlecht Deutsch, aber sie macht jetzt Deutschkurs», sagt er.
    Emre findet es richtig, wenn der Mann das Sagen hat. Na ja, seine zwei Jahre ältere Freundin, mit der er heimlich so gut wie verlobt ist, befindet sich schon mitten in der Ausbildung. Die wird sich wohl hoffentlich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, denke ich. Er fragt mich, ob ich das okay fände, wenn sie so mit fünfundzwanzig das erste Kind bekäme. Ich bin gerührt. Wie die schon ihre Zukunft planen, irgendwie süß. Emre ist gerade mal siebzehn. Ich finde das mit den fünfundzwanzig Jahren sehr okay.
    Necla sagt, sie würde immer erst ihre Mutter fragen, wenn sie was wollte. «Die schickt mich dann zu meinem Vater, und der sagt, frag deine Ane, und die sagt, nee, frag Baba, und dann mach ich meistens, was ich will.» Das kann ich mir genau vorstellen …
    Die Mädchen schießen immer noch böse Blicke auf Hassan.
    Es klingelt zur großen Pause.
    Wieder nichts Richtiges gemacht, denke ich und packe meinen Kram zusammen. Morgen kommt aber die Inhaltsangabe dran. Egal, was passiert.
    Hassan, Necla und Azzize gehen mit mir zusammen aus der Klasse.
    «Frl. Krise», brummelt Hassan ein bisschen verlegen, «ich bin wirklich nicht so, ich würde meine Frau nicht einschließen.»
    «Das wäre auch gar nicht erlaubt», sage ich. «Und denk mal, Hassan, wie das für ein Kind wäre, das von seiner Ane nicht gewollt ist. Deine Mutter wollte dich doch, oder?»
    «Natürlich!» Hassan wird gleich fünf Zentimeter größer. «Und wie die mich wollte! Ich war doch erste Junge nach allen Schwestern, da …»
    Azzize holt schon tief Luft und dreht sich nach Aynur um.
    Himmel! Bloß das jetzt nicht!
    Ab durch die Mitte!

Ist das Integration?
    Gürkan sieht im Moment kein bisschen so aus wie er heißt. Falls das stimmt, dass Gürkan «starkes Blut» heißt. Gürkan geht ins achte Schuljahr. Er ist klein, dicklich, mittelblond, sommersprossig und nicht mein Schüler. Ich kenne ihn nur, weil Aynur aus meiner Klasse seine Freundin ist und er öfter in unserem Klassenraum abhängt. Nein, eine Freundin ist Aynur eigentlich auch nicht, sie ist seine «Schwester».
    Meine Schüler haben viele Brüder und Schwestern; sie sind schnell bei der Hand, wenn es darum geht, jemanden in diesen

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