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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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er lachte bevorzugt über seine eigenen Witze.
    Unvorstellbar der Gedanke, dass …
     
    Edda und ich erwarteten Laras Rückkehr mit Spannung.
    Sie quetschte sich gleich zu uns auf den kollektiven Stuhl.
    «Wie war’s?», fragte ich laut.
    «Sehr schön! Die Kinder wollten gar nicht mehr weg. Wetter, Unterkunft, das Programm – hätte alles nicht besser sein können.»
    «Echt? Äh … auch …?» Edda, halblaut.
    Lara lachte und hob den Daumen.
    «Du willst doch nicht sagen, dass …?», flüsterte ich.
    «Natürlich!», zischte Lara.
    Eine haarsträubende Mitteilung! Edda und ich guckten uns bestürzt an.
    «Der Frank!», hauchte Edda.
    «Quatsch!», sagte Lara laut. «Der Busfahrer!»

Wundertüte 9b
    Eigentlich müsste ich stocksauer sein, aber ich bin ganz entspannt und ziemlich gut gelaunt. Gerade haben wir eine Woche Winterferien hinter uns, und ich glaube, ich befinde mich im Erholungsmodus. Das hält vielleicht drei oder vier weitere Tage vor. Die Nerven flattern nicht wie sonst im Winde, und das Adrenalin ist noch nicht in jede einzelne Körperzelle geschwemmt worden.
    Kollegin Müller hingegen, die viel gutmenschlicher ist als ich und sonst auch immer so verdammt politisch korrekt, sagt gleich am ersten Schultag nach einer Vertretungsstunde in meiner Klasse: « Das ist ja wohl die Mülltonne der Schule.»
    Das tut weh. So etwas will ich nicht hören.
    Besonders unsere Mädchen machen uns schwer zu schaffen, sie laufen völlig aus dem Ruder. Genau genommen sind es nur fünf, die den Unterricht zum Erliegen bringen. Zum Glück treten sie in den meisten Stunden nicht alle zusammen auf, nur in Kunst und in Ethik, wenn ich alleine unterrichten darf.
    Vielleicht mal ein Beispiel. Achte Stunde, Ethik. Ich komme in die Klasse. Grauenhaft.
    Ein paar Mädchen schreien sich gerade komplett nieder. Zum Glück auf Türkisch, da verstehe ich wenigstens nicht alles. Nesrin hat Zahnschmerzen, sie hält sich beim Schreien ein Coolpack aus dem Seki an die Wange. Das scheint aber ihre Lautstärke nur noch anzufeuern. Die anderen sind ohne Kühlung schon heiß gelaufen.
    Der Rest der Mädchen unterhält sich gemütlich in einer Ecke und negiert das Chaos. Die Jungen trullern etwas unschlüssig durch den Raum, sie würden ja gern mitmischen, halten sich dann aber vorsichtshalber doch zurück. Ich kann’s verstehen.
    Nur Erkan kann sich nicht zurückhalten und wird von Hanna kurzerhand grob zu Boden befördert. «Da werden Weiber zu Hydranten», hat ein ehemaliger Kollege in solchen Situationen immer mit einer gewissen Ehrfurcht gesagt.
    Unter Aufbietung meiner restlichen autoritären Kräfte treibe ich die Streithühner auseinander und scheuche sie auf ihre Plätze. Für Momente ist es ruhig, dann bricht der Krieg wieder aus. Es ist völlig unmöglich, irgendwas zu klären, weil sofort die Schreierei wieder losgeht.
    Wir quälen uns durch die Stunde. Jenny und Nesrin, die nicht zu befrieden waren, sitzen im Flur, Aynur aus dem selben Grund nebenan. Trotzdem flammt der Streit immer wieder auf. Worum es geht, ist nicht herauszubekommen. Die anderen nutzen die günstige Gelegenheit, um zu quatschen, sich die Nägel zu feilen, dem langen schwarzen Haar seine stündlichen hundert Bürstenstriche zu verpassen, ohne die es wahrscheinlich auf der Stelle verfilzen würde, und Briefchen zu schreiben.
    Inzwischen wabert der Streit auch zu den Jungen rüber, die sich mit Jenny und Nesrin solidarisieren. Ich gebe mein Bestes, aber das ist nicht genug. Langsam werde ich richtig wütend, aber irgendwie mit kaltem Herzen. So kann man nicht arbeiten. So nicht.
    Es ist zehn vor drei. Der Unterricht endet um drei.
    Ich setze mich ans Pult, notiere das Unterrichtsthema in mein Kursheft und sage, ohne hochzuschauen: «Ich breche ab. Ich mache so nicht weiter. Ihr könnt gehen.» Ich sage das noch zweimal, dann ist es durchgedrungen. Es wird ziemlich ruhig. Man sieht mich verwundert an.
    Ich packe ganz ruhig meine Sachen zusammen, schiebe meine Ordner in meine Mappe, stehe auf und sage noch mal leise: «Ihr könnt gehen. Ich sehe keinen Sinn mehr darin, euch zu unterrichten.»
    Ich verzichte auf mein übliches Mantra – «Stühlehochstellen,fensterschließen,hebmaldaspapierauf,wemgehörtdieflasche,kehrtnocheiner?» – und schreite langsam, ohne Blick und Gruß, aus der Klasse. Anschließend sause ich wie ein geölter Blitz die Treppe runter und verstecke mich ein Stockwerk tiefer im Lehrerklo.
    Es bleibt mehrere Minuten ruhig. Dann

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