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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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trostloser Gedanke.
    Volkan bot uns Marlboro an. Ausnahmsweise nahm ich auch eine.
    Da standen wir nun. Eine junge deutsche Frau in hellblauer Steppjacke und weißer Jogginghose mit Kampfhund an der Leine, neben ihr ein junger, voll aufgepumpter Hüne, türkischstämmig, gewandet mit einer Art schwarzer Alphajacke und Basecap, und ich, deren Nationalität etwas undefiniert ist (ich ginge eventuell auch als Türkin durch) – alle drei rauchend und Deutsch sprechend.
    Wäre ich nicht Lehrerin, würde ich «solche» Leute gar nicht kennen, dachte ich, und schon gar nicht mit ihnen auf der Straße herumstehen. Ganz im Gegenteil, ich würde einen so großen Bogen um die drei machen, wie die Passanten es gerade tun. Die können ja nicht wissen, wie nett die beiden sind.
    Und auf einmal war ich wieder mal ganz ausgesöhnt mit meinem Beruf.
    Am Ende der Zigarette verabschiedeten wir uns.
    «Haben Sie immer noch das kleine rote Auto?», fragte Volkan, schon im Abgang.
    Dass der das noch wusste!
    «Ich habe jetzt ein schwarzes, aber auch ein Franzose!»
    «Immer noch kein BMW! Sie verdienen doch voll viel! Kaufen Sie sich mal richtiges Auto, Frl. Krise!», rief Volkan mir nach.
    Bevor ich um die Ecke bog, drehte ich mich noch einmal um.
    Baby Tyson kackte gerade mitten auf den Bürgersteig.

Manta Manta
    Kurzsichtig studierte ich den Busfahrplan. An einem einzigen Tag hatten wir – Edda und ich – versucht, die ganze DOCUMENTA IX in Kassel zu besichtigen. Wir waren fix und fertig. Die Zugfahrt hatten wir hinter uns, wir mussten nur noch die letzten Kilometer mit dem Bus zurücklegen.
    «Ich glaube es nicht!» Eddas Stimme klang ehrfürchtig. Ich drehte mich um und starrte Meik an, einen ehemaligen Schüler der Gesamtschule-Süd. Begeistert schüttelte er Eddas Hand und klopfte mir auf die Schultern.
    Er hatte sich kaum verändert, vielleicht sah er ein bisschen erwachsener aus. Leider saß sein Haaransatz immer noch kurz über den Augenbrauen, und seine leicht schielenden schwarzen Äuglein huschten wie früher unruhig hin und her. Das heißt, soweit man das unter dem schwarzen Schlapphut sehen konnte. Zu diesem Hut passte sein offen über Jeans und besticktem Hemd getragener schwarzer Ledermantel, der ihm fast bis auf die Füße fiel. Die steckten wiederum in abgewetzten Cowboystiefeln. Die Schuhspitzen waren unfassbar spitz und lang und bogen sich abenteuerlich himmelwärts. Wie konnte man mit so etwas laufen? Aber Meik konnte. Er schob uns vor sich her und verkündete großspurig: «Egal, wo ihr hinwollt, Mädels, ich fahre euch!»
    Edda und ich guckten uns bestürzt an. Meik kann Auto fahren? Seit wann? Mit Führerschein oder ohne? Hatte er überhaupt ein Auto? Oder wollte er noch schnell eins knacken?
    Meik jedoch war bester Stimmung. Er dirigierte uns auf einen soliden alten Benz zu, und ich drückte erfreut Eddas Arm. Aber hinter dem Benz tauchte plötzlich ein Manta auf. Orange! Nur die Motorhaube war stumpf schwarz lackiert. Nein! Ein Manta! Mit Fuchsschwanz! Wir rissen die Augen auf und Meik die Türen. Ich krabbelte gottergeben nach hinten auf den Leopardenplüschbezug, und Edda setzte sich tapfer auf den Todessitz.
    Meik ließ den Motor aufheulen, kurbelte sein Seitenfenster runter, legte seinen linken Unterarm lässig auf dem Fensterrahmen ab und schmiss mit der rechten Hand eine Kassette ein. «Roland Kaiser!», sagte er stolz und drehte die Musik laut. Hinter mir auf der Ablage wummerten die Bässe.
    Schon glitten wir die Bahnhofstraße hinunter. An der ersten Ampel standen zwei Schülerinnen unserer Schule, die, als sie uns in diesem Gefährt erblickten, fast von der Bordsteinkante fielen. Aber Edda und ich hatten uns inzwischen gefasst und sahen selbstbewusst, um nicht zu sagen überheblich aus dem Auto. So wurde schließlich nicht jeder chauffiert …
    Auf der Landstraße gab unser Fahrer richtig Gas. Die Alleebäume flitzten an uns vorbei, und ich klammerte mich furchtsam an den Vordersitz.
    Meik klopfte auf das Lenkrad. «90 PS», vertraute er uns an. «Gebraucht gekauft, aber von einem Kumpel neu aufgebaut.»
    Edda, die hin und wieder zu Taktlosigkeiten neigt, fragte nach seinem Führerschein. Natürlich habe er einen, versicherte Meik. Er sei zwar ein paarmal durchgefallen, aber nur durch die Theorieprüfung. Das beruhigte.
    Roland Kaiser sang inzwischen dramatisch von Liebe und Abschied. Ich bat Meik, mich doch am Anfang der Ortschaft, in der ich wohnte, abzusetzen, denn das fehlte mir noch,

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