Ghost Dusters 01 - Die Geisterfeger
die Terrasse, und sie drängten sich in eine Ecke des Backsteingebäudes, wo ihnen ein Vorsprung Schutz bot.
»Kann man jemanden tatsächlich zu sehr lieben?«, fragte Sadie.
Janet schien zu überlegen, ehe sie antwortete.
»Verstehen Sie mich nicht falsch – Trudy war kein schlechter Mensch, sie war nur unglücklich. Sie langweilte sich und vermisste ihren Job in der Schule für Gehörlose. Sie konnte zwar ein paar Tage in der Woche gehörlosen Kindern in Portland Privatunterricht geben, aber das reichte ihr nicht. Sie kennen sicher das Sprichwort ›Müßiggang ist aller Laster Anfang‹...«
Sadie verzog das Gesicht wegen des schlechten Kaffees und warf den Pappbecher in einen Mülleimer. Janet folgte ihrem Beispiel.
»Trudy muss sich gelangweilt haben, wenn Grant den ganzen Tag in seinem neuen Geschäft war. Außerdem hat sie wahrscheinlich ihre Freunde in Seattle vermisst.«
»Hmm«, brummte Janet und schnippte die Asche ihrer Zigarette weg, die um ihre Füße wirbelte. »Sie haben sich in unserem Haus eine eigene Telefonleitung legen lassen. Kaum war Grant morgens aus dem Haus, tippte Trudy schon in ihr Tastentelefon. Im Zeitalter von Computern und technischen Spielereien muss man kaum noch jemanden vermissen. Wenn sie nicht telefoniert hat, saß sie am Computer und chattete online. Einmal war sie noch eingeloggt, während sie Besorgungen machte. Ich ging in ihr Zimmer, um Staub zu wischen. Ich wollte nicht herumschnüffeln.«
»Natürlich nicht«, sagte Sadie, aber sie hatte das Gefühl, dass Janet genau das getan hatte. »Erzählen Sie weiter.«
»Jedenfalls erschienen dauernd Mitteilungen auf dem Monitor, und ich musste sie einfach lesen. Die Mitteilungen stammten von einer anonymen Person, aber sie waren vertraulich. Sehr vertraulich sogar.«
»Von einem Liebhaber.« Das war eine Feststellung, keine Frage.
Janet nickte.
»Als sie nach Hause kam, habe ich sie darauf angesprochen. Zuerst hat sie alles abgestritten, aber ich habe nicht lockergelassen. Immerhin war sie die Frau meines Neffen. Jedes Mal, wenn sie weggehen wollte, habe ich sie abgepasst. Es ist nicht leicht, mit einer Tauben zu streiten«, meinte sie kopfschüttelnd. »Sie konnte zwar recht gut von den Lippen ablesen, aber wenn ich etwas sagte, das sie nicht hören wollte, drehte sie sich einfach um oder machte die Augen zu.« Janets Lachen mündete in einem Hustenanfall. Als sie sich davon erholt hatte, fuhr sie fort. »Schließlich gab sie zu, mit einem anderen Mann geschlafen zu haben, als sie noch in Seattle wohnten. Ja, sie gestand sogar, an manchen Tagen den Unterricht nur als Vorwand benutzt zu haben, um nach Seattle fahren zu können.«
»Sie waren sicher sehr wütend.« »Ich war derart außer mir, dass ich Grant am liebsten alles erzählt hätte, aber ich wusste, dass es ihn umbringen würde.« Sie lächelte traurig über diese Ironie des Schicksals. »Trudy flehte mich an, nichts zu verraten. Zuerst erklärte ich, ich würde meinen eigenen Neffen nicht belügen, doch dann war ich bereit, es geheim zu halten, wenn sie versprach, die Affäre sofort zu beenden. Sie war einverstanden.«
Janet zog ein letztes Mal an ihrer Zigarette und ging dann zu einem Säulenaschenbecher, um sie auszudrücken.
»Dann hat sie also Schluss gemacht?«, schrie Sadie gegen den Wind an, der in einer kräftigen Böe über die Terrasse fegte.
»Sie versicherte mir, dass es vorbei sei. Ich muss gestehen,
dass ich ihr nicht gleich geglaubt habe, aber dann wurde eines Tages ein kleines Päckchen für sie abgegeben. Ich habe es in Empfang genommen, weil sie nicht zu Hause war. Als ich sah, dass das Päckchen in Seattle aufgegeben worden war, war ich so neugierig, dass ich es öffnete und einen Blick hineinwarf. Es enthielt einen wunderschönen Smaragdanhänger, aber keinen Brief. Trudy hat nie erfahren, dass ich das Päckchen geöffnet habe, doch als ich sie danach fragte, sagte sie, es sei ein Abschiedsgeschenk.«
»Fanden Sie nicht, dass das ein seltsames Geschenk für eine verheiratete Frau war? Sie würde bestimmt nicht so leicht eine Erklärung dafür finden«, bemerkte Sadie.
»Ja, sicher, aber Trudy beteuerte hartnäckig, die Affäre beendet zu haben, und ich nahm an, dass sie die Halskette entweder zurückgegeben oder verkauft hatte, weil ich sie danach nie mehr sah.« Janet steckte die Hände in ihre Manteltaschen. »Ich dachte, es sei vorbei.«
»War es das?«
»Ja und nein. Ein paar Wochen später kam Trudy ganz aufgeregt zu mir. Sie
Weitere Kostenlose Bücher