Ghostman: Thriller (German Edition)
eindämmen. In einem mit Müllsäcken ausgekleideten Kofferraum konnte eine Leiche monatelang verwesen, ohne dass jemand aufmerksam wurde.
Lakes erstarrte, als er sah, was da im Kofferraum war. Teils rechnete ich damit, dass er versuchen würde wegzurennen, und teils damit, dass er endlich zuschlagen oder versuchen würde, mir das Schießeisen wegzunehmen. Ich hätte das in dem Moment getan. Aber die Angst macht seltsame Dinge mit den Menschen, das ist meine Erfahrung. Selbst im Angesicht des sicheren Todes können manche Leute sich einfach nicht wehren. Sie sind wie gelähmt. Sie können es einfach nicht. So erging es jetzt auch Lakes. Sein Atem stockte, und seine Füße klebten am Asphalt.
Dabei hatte ich in Wirklichkeit gar nicht vor, ihn umzulegen. Zum Teufel, ich wollte ihm nicht mal wehtun. Ich wollte ihm nur Angst einjagen. Er würde ein paar verschwitzte Stunden im Kofferraum zubringen und sich zu Tode fürchten, bevor ihn jemand herausholte. Sicher, er hatte mich an den Wolf verkauft, aber ohne seine Hilfe wäre ich niemals so weit gekommen. Außerdem, Mord ist nicht mein Ding. Töte niemals, wenn du es vermeiden kannst. Regel Nummer eins.
» Bitte«, sagte Lakes. » Ich mache, was Sie wollen.«
» Ich dachte mir, dass Sie das sagen würden. Und ich möchte, dass Sie noch etwas tun.«
Ich packte ihn beim Genick und verpasste ihm einen Kopfstarter am Kotflügel. Die Haut an seiner Stirn platzte auf, und er taumelte seitwärts, wie vom Donner gerührt. Ein bisschen härter, und er wäre k.o. gegangen. Ich nahm ihn beim Kragen und an seinem Gürtel und kippte ihn kopfüber in den Kofferraum des Bentleys. Nach solch einem Schlag war das nicht schwer. Ich ließ seine schlaffen Arme neben seinem Kopf hineinfallen. Er wiegte sich hin und her und drückte die Hände ans Gesicht. Der Kerl war weich wie Butter.
Ich schlug den Kofferraum zu und sah auf die Uhr. Achtzehn Uhr fünfundvierzig.
Noch elf Stunden.
EINUNDFÜNFZIG
Kuala Lumpur
Der Polizeihubschrauber kam von Osten her und flog tief an uns vorbei. Es klang wie leise grollender Donner, als er an uns vorüberstrich. Ich beobachtete ihn durch das getönte Fenster, bis er tief in der Morgensonne flog. Es war eine reduzierte Version des Eurocopter Twin Squirrel, mit Leuchtfarbe markiert, damit er besser zu sehen war. Zwei Scharfschützen des Spezialeinsatzkommandos in schwarzer Kampfeinsatzmontur saßen über der Kufe und schauten durch Nachtsichtferngläser zu mir herüber, was im heißen, hellen Vormittagslicht unwirklich erschien, aber auf eine verquere Weise einleuchtend war. Wenn sie die Bank stürmen sollten, würden sie als Erstes das Licht ausschalten und Gas zu uns hineinleiten, und dann würden sie mit Nachtsichtgeräten hereinkommen und uns überrollen, weil wir blind wären.
Der Hubschrauber schwebte einen Moment lang vor dem Fenster und beschleunigte dann wieder. Achtmal umkreiste er das Gebäude, bevor er davonflog, aber sofort erschien ein zweiter, identischer Helikopter. Ich las die Nummern am Heck. Die Royal Malaysian Police verfügte im ganzen Land nur über sechs Hubschrauber, und die beiden neuesten hatten sie nur unseretwegen losgeschickt.
In der Bank selbst war es gespenstisch still. Wir hatten die Geiseln inzwischen in ein Hinterzimmer verfrachtet und mit so viel Beruhigungsmittel stillgelegt, dass sie ein paar Stunden schlafen würden. Man hörte nur das hohe Zischen des Schweißbrenners und das beharrliche Knattern des Hubschrauberrotors. Ich schaute aus dem Fenster. Fünfunddreißig Stockwerke unter uns hatte die Polizei die Umgebung im Umkreis von drei Blocks mit Unimogs und gelben Holzbarrieren gesperrt. In der Innenstadt dahinter staute sich der Verkehr Stoßstange an Stoßstange.
Wir waren jetzt seit siebenundvierzig Minuten in der Bank.
Der Grund für unsere Anwesenheit lag unmittelbar hinter mir und hinter zwei doppelt verriegelten Türen und einer Scheibe aus kugelsicherem Plexiglas. Die zwei Tonnen schweren Tresortüren mit dem Sechsaugen-Schloss hatten wir noch nicht geöffnet. Joe plagte sich seit einer Dreiviertelstunde mit dem verdammten Ding, und erst jetzt kam er wirklich voran. Natürlich erfordert so ein Tresor echtes Können, und selbst die besten Safeknacker der Welt gehen ihnen lieber aus dem Weg. Aber so schnell Joe auch arbeitete, wir alle wünschten, er würde ein bisschen schneller machen. Während er bohrte, wurde das Polizeiaufgebot draußen größer und immer größer, und wir konnten nur
Weitere Kostenlose Bücher