Ghostman: Thriller (German Edition)
Pass und einer Tüte Soja-Chips.
Ich schlug die Tür meiner Bude zu und schloss ab.
Nach einem Überfall soll man nur im äußersten Notfall in seine Bude zurückkehren. Aber dies war einer. Nach unserem blutigen Durchbruch mit dem gepanzerten Truck würde jeder in der Stadt nach uns suchen. Das kleine Zimmer hinter der Wäscherei war der einzige Ort, den ich kannte, wo ich für ein paar Stunden untertauchen konnte. Mir war verdammt klar, dass ich hier nicht bleiben konnte. Die Polizei hat ihre Methoden, solche Verstecke zu finden. Ich legte die Kette vor , und mei n Hirn lief auf Hochtouren. Einen neuen Plan. Sofort.
Ich hatte nicht viel in meiner Bude. Die Seife und der Rasierer, die ich benutzt hatte, waren natürlich noch da, aber alles andere– Kleidung zum Wechseln, Kleinkram– hatte ich weggeschafft. Ich ging ins Schlafzimmer, schaltete das Radio ein und suchte einen lokalen Nachrichtensender. Den Polizeifunkscanner legte ich neben das Radio und schaltete ihn ebenfalls ein. Ich musste alles wissen, was die Polizei wusste, und zwar in dem Augenblick, in dem sie es erfuhr.
Unser weiterer Fluchtweg war komplett versperrt. Wenn die Polizei von Jack Delton wusste, musste sie auch herausgefunden haben, wer mit ihm durch den Zoll gekommen war, und dann gäbe es auch für die anderen Haftbefehle. Alle unsere Decknamen wären verbrannt, nicht nur meiner. Die Polizei würde uns an sämtlichen Ausreisestellen erwarten– an Flughäfen, Bahnhöfen, Häfen und Highways. Wenn sie wussten, wer wir waren, würden sie sicher schon da sein. Der Flughafen war jetzt eine Todesfalle. Wir würden es nicht mal bis zum Gate schaffen, ehe die Security uns schnappte. Als wir aus der Bank entkommen waren, blieb uns nichts anderes übrig, als uns zu trennen und uns auf eigene Faust durchzuschlagen.
Das bedeutete, ich würde Angela nie wiedersehen, aber ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Es war das letzte Mal, dass ich sie je gesehen hatte– hinten in diesem gepanzerten Truck.
Als Erstes musste ich diese verdammten Klamotten loswerden. Es reichte nicht, nur die Security-Uniform verschwinden zu lassen. Ich durfte überhaupt nichts von dem behalten, was ich mit in die Bank genommen hatte. Die Verkleidung war dabei nicht mal die Hälfte des Problems. Die Überwachungskameras hatten mein Gesicht aufgenommen, und in ein paar Stunden würden die Bilder in allen Nachrichtensendungen des Landes erscheinen. Ich musste eine Möglichkeit finden, alles zu beseitigen, was mich mit dem Raub in Verbindung bringen konnte, von den Pässen bis zu der kugelsicheren Weste. Haben Sie eine Ahnung, wie schwer das ist? Schusssicheres Kevlar gehört zu einer Klasse von Synthetikfasern, die nicht brennen können. Zum Teufel, wenn man nicht über einen Industrie-Hochofen verfügt, schmilz t das Zeug nicht mal.
Zweitens musste ich mein Aussehen verändern. Ich würde niemals über die Grenze entkommen, wenn ich auch nur die entfernteste Ähnlichkeit mit dem Bankräuber hatte. Ich musste mich sofort in jemand anderen verwandeln, und das würde schwerer werden, als es sich anhört. Ich hatte meine komplette Garderobe weggeworfen, und ich konnte jetzt nicht gut in ein Geschäft spazieren und mir neue Klamotten kaufen. Die Zeit für so etwas war längst vorbei. Ich musste mir neue Sachen beschaffen, ohne dieses Apartment auch nur eine Minute länger als nötig zu verlassen.
Drittens brauchte ich meine Fluchttasche. Ich sagte schon, ich drehe niemals ein Ding ohne Fluchttasche. In diesem Fall befand sich die nächste im Hinterhof einer Ikan-Bakar-Fischbude am Pasar-Seni-Markt. Sie enthielt zehntausend Dollar, zwanzigtausend Ringgit, eine Neun-Millimeter-Pistole, zwei Prepaid-Handys, zwei Kreditkarten, einen sauberen Führerschein und einen kolumbianischen Pass auf den Namen Manuel Sardi. Ich ließ mir alles durch den Kopf gehen, Anfahrtswege, Fahndungsstrategien, Ausreisemöglichkeiten, Streifenwagenrouten. Wenn ich diese Fluchttasche erst hätte, dürfte ich mir keinen Fehler mehr erlauben. Ich müsste packen und verschwinden.
Ich schob das Fenster auf und zog mich aus.
Bis auf Unterhemd und -hose warf ich alles aus dem Fenster, und es landete zwei Stockwerke tiefer in der Gosse. Das war sinnvoller, dachte ich, als es einfach in den Müll zu werfen. In diesem Teil der Stadt würde innerhalb weniger Stunden ein Straßenhändler die Sachen an sich nehmen. Wenn die Polizei die Bude fände, würden die belastenden Kleider nicht in der Mülltonne auf
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