Ghostman: Thriller (German Edition)
Braunes Gras kämpfte sich aus den Rissen im Boden herauf.
Der Motor tickte beim Abkühlen. Ich stieg aus und sog die Luft durch die Zähne.
Das Gelände war kleiner, als man erwartet hätte. Ein Teil war umgewidmet worden, aber nicht alles. Manche Ecken sahen fast aus wie ein öffentlicher Park, andere zeigten reine urbane Verwahrlosung. Müllberge. Industrieüberreste. Ausgebrannte Autos, nasses Mobiliar. Auf manchen Flächen standen verlassene Gebäude und mit Farbe besprühte Betonblöcke, die von Abrisskolonnen aufgebrochen, aber nie abtransportiert worden waren. Ich sah ein paar Lücken im Zaun, durch die man hineinfahren konnte, aber das tat ich nicht. Ich ging zu Fuß. Die Natur hatte angefangen, sich das Land zurückzuerobern. Wo Straßen für Gepäckfahrzeuge und die Streifen der Landebahnbefeuerung verlaufen waren, zogen sich jetzt Lehmpisten und von Schlaglöchern übersäte Betontrassen über das Terrain. Die Landebahn war zu einer Wiese geworden, und die Farbe der Markierungen war längst abgeplatzt. Vermutlich fuhr hier regelmäßig jemand Streife, doch nichts wies auf irgendwelche Aktivitäten in letzter Zeit hin. Die » Betreten verboten«-Schilder waren verwittert und mit unleserlichen Graffiti besprayt. Das Ganze sah aus wie ein Schrottplatz, der niemandem gehörte. Ich ging auf die Mitte des Geländes zu, wo eine Gruppe von verlassenen Gebäuden stand. Zwei leere rote Müllcontainer und ein Fußballtor, das unerklärlicherweise am Boden lag, bewachten die hintere Landebahn.
Das erste Gebäude sah aus wie ein alter Hangar. Es war von außen mit einer Kette verschlossen, die schon vielen Landstreichern widerstanden hatte. Sie war durch ein Kombinationsschloss mit vier Ziffernrädchen gesichert, das durch zwei braun gefärbte Kettenglieder gehakt war. Schloss und Kette waren rostig zusammengebacken.
Der zweite Hangar sah kaum anders aus. Zwischen den beiden lag ein Abfallhaufen, und es roch nach fauligem Müll und Tierfäkalien.
Ich wollte auf den dritten Hangar zugehen.
Aber dann hörte ich es.
Es war ein schriller Ton, eine Mischung aus dem Geräusch von Metall, das auf Metall schlägt, und dem Klang einer hellen Glocke. Dann trieb mir eine Windbö den Müllgestank ins Gesicht. Ich sah mich um und vergewisserte mich, dass niemand zu sehen war. Langsam, sehr langsam, bewegte ich mich in die Richtung, aus der das Geräusch anscheinend gekommen war. Ich bog um die Ecke und näherte mich wieder dem zweiten Hangar. Er hatte ein Doppeltor, ähnlich dem einer Scheune, das von der Mitte her auseinandergeschoben werden musste. Zu Hochzeiten dieses Flugplatzes dürfte der Hangar ein halbes Dutzend Privatflugzeuge vor den Elementen geschützt haben. Jetzt roch es hier nach einem gewöhnlichen, verrosteten Lagerschuppen. Ich warf einen Blick auf die Kette, mit der die beiden Portalhälften zusammengehalten wurden.
Sie war an zwei Stellen zerrissen. Im Inneren des Hangars war pechschwarze Finsternis. Zwei Paar Reifenspuren führten hinein. Ich trat vorsichtig um sie herum. Autospuren. Frisch. Im nächsten Moment stockte mir der Atem.
Blut.
Auf dem rechten Türgriff des Hangars klebte ein kleiner roter Klecks in der Form eines Daumenabdrucks. Das Blut war ungleichmäßig auf dem Griff verteilt. Dicke Klümpchen waren getrocknet und fingen an abzubröckeln.
Ich schob das Hangartor auf.
FÜNFZEHN
Drinnen stand der Fluchtwagen.
Es war ein weißer Dodge Spirit, Baujahr ’92– das heißt, er war weiß gewesen, bevor er ein paarmal verbeult und mit einem Gewehr beschossen worden war. Die Frontscheibe hatte spinnennetzförmige Risse. Wo die Kugeln das Glas durchschlagen hatten, sah ich kreisrunde kleine Löcher. Die Rostflecke an der Karosserie reichten so tief, dass der Lack anfing, abzublättern, und alle vier Reifen waren so platt, dass es aussah, als seien die Felgen mit Papier umwickelt.
Im Inneren des Hangars war es wie in einer Höhle. Der stählerne Boden war dick mit Dreck und Glasscherben bedeckt, und die dünne Isolation der Wände verrottete von innen her. Wasserpfützen standen unter den leer klaffenden Oberlichtern. Als der Platz geschlossen worden war, musste die Stadt alles, was irgendwie halbwegs wertvoll war, weggeschafft haben, sogar das Plexiglas. Der Schuppen musste für Ribbons ein perfekter Ort gewesen sein, um seinen alten Fluchtwagen zurückzulassen und den nächsten bereitzustellen. Er war schmutzig und leicht zu übersehen, aber vom Regency hierher brauchte man keine fünf
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