Ghostman: Thriller (German Edition)
Dreifachüberwachung– um den gesamten Bestand in die Hände zu bekommen, würden wir kreativ sein müssen. Wir würden etwas tun müssen, das professionelle, bewaffnete Bankräuber normalerweise als Selbstmord betrachten. Wir mussten den Tresor aufbohren, und das bedeutete, wir mussten die Bank übernehmen.
Für mindestens eine Stunde.
Solche Übernahmen sind äußerst riskant. Sie kommen auch sehr selten vor. Ein Bankraub verläuft meistens so simpel, wie man es sich nur vorstellen kann. Jemand spaziert, mit Kapuzenshirt und Sonnenbrille vermummt, in eine Bank und reicht dem Kassierer einen Zettel, auf dem er die Herausgabe des gesamten Bargelds verlangt. Der Kassierer gibt ihm das Geld aus seinen Schubladen, und der Räuber geht wieder. Wachmänner gibt es nicht mehr, und deshalb geht es so einfach. Das Problem ist nur, dass man auf diese Weise nicht viel bekommt. Die Kassen haben vielleicht zehn-, fünfzehntausend Dollar, das ist alles. Um richtig viel Geld zu erbeuten, muss man die ganze Bank übernehmen, mit Masken und Waffen und präzisem Timing. Die Beute ist dann zehn- oder zwanzigmal größer, weil man auch das Geld aus dem Tresor bekommt. Aber das Risiko ist auch viel höher. Geht man bewaffnet hinein, hat man nur zwei Minuten, um wieder rauszukommen. Selbst wenn man das Geld noch nicht hat, verschwindet man nach zwei Minuten wieder, denn das ist die Zeit, die mindestens nötig ist, damit jemand den stillen Alarm auslösen und damit die Polizei anrollen kann. Mit jeder weiteren Sekunde verzehnfachen sich die Chancen, in den Knast zu wandern. Wenn man nach fünf Minuten noch da ist, ist bei dem Bankraub etwas schiefgegangen. Nach zehn Minuten ist die ganze Nummer irreparabel vergeigt. Nach einer halben Stunde ist dieser Bankraub das Letzte, was du in deinem Leben als freier Mann tun wirst.
Aber genau das war unser Plan: Um den Tresor aufzubohren, müssten wir mindestens eine Stunde in der Bank bleiben. Vielleicht länger.
Dabei würde es vielfältige Probleme geben. Das Erste wäre Schadensbegrenzung. Eine Übernahme bedeutete, dass es Geiseln geben würde. Geiseln mussten bewacht werden. Wir brauchten jemanden, der das die ganze Zeit tat. Andernfalls konnte es passieren, dass eine Geisel den Helden spielte. Spielte einer den Helden, konnte jemand verletzt werden. Wurde jemand verletzt, konnten Weitere sich zu Helden berufen fühlen. Es würde Tote geben. Keinem von uns gefiel der Gedanke, jemanden umzubringen, der nur den Fehler begangen hatte, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Also brauchten wir einen, vielleicht auch zwei Leute, die Babysitter spielten.
Die Lage der Bank war ein weiteres Problem. Sie befand sich fünfunddreißig Stockwerke hoch in einem Wolkenkratzer. Sobald der Zwischenfall sich herumspräche, würde die Security im Erdgeschoss sämtliche Aufzüge abschalten und uns effektiv den Ausgang versperren. Selbst wenn wir es schafften, mit Masken und Schusswaffen hinaufzukommen, bestand die Gefahr, dass wir dann oben festsitzen würden.
Das dritte Problem war die Flucht. Die Jalan Ampang, eine der wichtigsten Verkehrsadern der Stadt, ist eine neunspurige Straße, die eine Viertelmeile weit an Wolkenkratzern, Hotels und Restaurants vorbeiführt. Am Vormittag würde dort dichter Auto- und Fußgängerverkehr herrschen, und das bedeutete auch eine Menge Polizei. Eine Straße weiter nördlich von unserem Ziel war ein Freeway, doch die nächste Auffahrt lag vier Straßen weit westlich. Dann: Wenn der Alarm unerwartet losginge, hätte die Royal Malaysian Police eine Stunde lang Zeit, um alles abzusperren und darauf zu warten, dass die Luftwaffe ein paar Hubschrauber schickte.
Und schließlich: Selbst wenn wir es irgendwie schafften, aus der Bank zu gelangen und den Cops zu entkommen, müssten wir das Geld immer noch außer Landes bringen. Siebzehn bis achtzehn Millionen Dollar Devisen in relativ kleinen Scheinen konnten ein Gewicht von zehn bis zwanzig Tonnen auf die Waage bringen. Ich rede von Geldklötzen so groß wie Heuballen, die einen ziemlich großen Sattelschlepper füllen konnten. Wenn wir alles in einen wartenden Jet laden wollten, würde der so schwer, dass er am Ende der Startbahn nicht hochkäme.
Mit staubtrockener Stimme legte Marcus uns die ganze Sache dar, Schritt für Schritt. Er beschrieb sämtliche Probleme, eins nach dem andern, und erklärte dann, wie sie gelöst werden würden. Angela irrte sich in ihm. Marcus war nicht intelligent. Ein Hund konnte intelligent
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