Ghostman: Thriller (German Edition)
Rauch, der aus dem Lauf des Revolvers stieg. In den Bäumen ringsum flatterten die Vögel auf.
Einfach so. Gerade hatte Harrison noch an seinem Wagen gelehnt, und jetzt lag er im Bach, mit dem Gesicht nach unten und mit einer Kugel im Bauch. Er zuckte noch ein paarmal und lag dann still. Ich sah, wie das Wasser sich um ihn herum rot färbte.
Meine Partner reagierten sofort. Mancini öffnete unseren Kofferraum und nahm in einer einzigen fließenden Bewegung ein Schrotgewehr heraus. Mit der einen Hand wühlte er eine Patrone aus der Schachtel und schob sie in den Verschluss, während die andere Hand den Repetierschlitten bediente, um die Patrone in die Kammer zu befördern. Als das Klingeln in meinen Ohren vergangen war, stand er drei Schritte hinter mir und stemmte die Waffe mit abgespreizten Ellenbogen an die Schulter. Der Lauf war genau auf meinen Schwerpunkt gerichtet.
Hsiu brauchte etwas länger. Sie kletterte aus dem Wagen und blieb dicht hinter Mancini stehen. » Was zum Teufel war das?«
Ich ließ den .44er Magnum locker am Abzugsbügel vom Finger baumeln, damit sie sehen konnten, dass ich nicht durchgedreht war. Mit der anderen Hand nahm ich die Tüte mit den Soja-Chips vom Kofferraumdeckel des Wagens, drehte mich langsam um und hielt einen Finger an die Lippen.
Kein Wort mehr, verdammt.
Sie sahen zu, wie ich ein drahtloses Mikro aus der Chips-Tüte angelte.
Ich hatte mich gefragt, warum er nie einen Chip in den Mund steckte, und jetzt wusste ich warum. In der Tüte war ein Aufnahmegerät, so groß wie ein Portemonnaie. Es war mit Klebstreifen an der Innenseite befestigt. Nicht unbedingt ein Hightech-Produkt, aber gut genug. Aus dieser Entfernung registrierte es wahrscheinlich jedes Wort, das wir sprachen. Ich warf es auf den Boden und zertrat es. Hsiu und Mancini sahen mit wachsendem Unbehagen zu.
Ich sagte: » Wir sind soeben von einem Undercover-Polizisten gelinkt worden.«
DREIUNDDREISSIG
Atlantic City
Während ich fuhr, sah ich die ersten Sonnenstrahlen über die Wolkenkratzer heraufkommen. Es war keiner von diesen großen, majestätischen Sonnenaufgängen in den Reisekatalogen. Eher musste ich an einen kleinen Leuchtturm weit draußen vor der Küste denken, dessen matter Lichtstrahl immer heller wurde. Der Nebel des frühen Morgens hatte sich über das Land gelegt und bedeckte alles mit seinem salzigen Tau.
Meine Haut fing an, nach getrocknetem Blut zu riechen.
Lakes’ Bentley war ein neuer Continental, komplett schwarz mit cremefarbenem Lederinterieur, ein schnelles, teures Spielzeug mit einem Computerdisplay über der Mittelkonsole, mit dem alles gesteuert wurde. Lakes’ Musik schaltete sich ein, als ich den Motor startete. Vivaldi, Die Vier Jahreszeiten. Der Motor klang wie eine schnurrende Hauskatze.
Auf dem Parkplatz des Chelsea Hotels frischte ich mein M ake -up auf. Wenn Lakes den Unterschied bemerkt hatte, würde Blacker es in einer Sekunde durchschauen. Aber so etwas dauert nicht lange, wenn die Verkleidung einmal sitzt. Alle großen Veränderungen vom vergangenen Tag waren noch erhalten geblieben– Haare, Augenfarbe, Brille, Gang und Stimme. Nur die Altersfalten und die Gesichtsfarbe mussten aufgefrischt werden. Als ich fertig war, war alles so gut wie neu. Nicht ganz so überzeugend ohne den Anzug, aber ich tat mein Bestes.
Zehn Minuten später parkte ich dem Hotel gegenüber auf der Straße und bezahlte mit Vierteldollarmünzen für eine halbe Stunde. Der Coffeeshop in der Lounge des Chelsea bereitete sich gerade auf den morgendlichen Hochbetrieb vor. Rebecca Blacker wartete in einem dieser üppigen Ledersessel bei der Bar. Mit übereinandergeschlagenen Beinen saß sie da und schaute zum Eingang hinüber, als rechne sie schon damit, dass ich mich verspätete, was ich natürlich auch tat. Die Zigarette in ihrer Hand war bis auf den Filter heruntergebrannt. Sie entdeckte mich sofort und hob die Hand, als könnte ich sie sonst übersehen.
Sie warf den Zigarettenstummel in den Kaffeebecher. » Ich muss sagen, Jack, ich bin überrascht, dass Sie kommen.«
Ohne zu antworten, setzte ich mich ihr gegenüber in den Sessel.
» Nicht im Anzug diesmal?«, fragte sie.
» Der ist in der Reinigung. Ist es nicht verboten, drinnen zu rauchen?«
» Bewaffnete Raubüberfälle sind ebenfalls verboten, aber das hält auch nicht jeden davon ab.«
Sie sah mich an und nahm eine neue Zigarette aus der Packung. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass sie die ganze Nacht auf gewesen war, hätte ich
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