Ghostman: Thriller (German Edition)
Auf diese Weise bekomme ich das Beweismaterial, das ich brauche, und Sie bekommen die Chance zu verschwinden, ohne Ihr Leben und Ihren Ruf zu gefährden.«
» Ich habe keinen Ruf. Hat mir neulich jemand gesagt.«
» In Ihrem Alter, mit Ihren Fähigkeiten? Ich wette, Sie haben doch einen.«
Ich schüttelte den Kopf. Das war der größte Widersinn in meinem Beruf. Ich war bekannt als der Beste in der Branche, aber niemand kannte mich. Ich lächelte und ließ sie denken, was sie wollte.
» Da ist noch etwas«, sagte sie. » Etwas, woran ich nonstop denken musste, seit Sie gestern hier gelandet sind. Immer, wenn ich versuche, dem auf den Grund zu gehen, komme ich nicht weiter.«
» Ach ja?«
» Warum sind Sie mit Marcus’ Jet hier gelandet?«
Ich schwieg.
» Nach einem publikumswirksamen Raubüberfall wie diesem müssen Sie doch gewusst haben, dass Horden von Polizisten sämtliche Flugbewegungen beobachten. Wenn Sie anonym herkommen wollten, hätten Sie dem Piloten gesagt, er soll nach Philadelphia fliegen– oder, verflucht, von mir aus sogar nach Newark. Dann hätten Sie mit dem Auto oder mit dem Zug herkommen können. Das hätte ein paar Stunden länger gedauert, schön, aber niemand hätte zweimal hingeschaut, wenn Sie hier angekommen wären. Sie wären absolut allein und anonym hier. Aber stattdessen landen Sie mit Ihrem Flugzeug mitten im dicksten Getümmel. Warum haben Sie das getan?«
Ich schwieg immer noch.
» Ich glaube, Sie wollten, dass man Sie sieht. Jemand sollte wissen, dass Sie hier sind. Nein, nicht irgendjemand– das FBI sollte wissen, dass Sie hier sind. Sie wollten uns auf Ihre Anwesenheit hinweisen. Ich habe nur noch nicht begriffen, warum. Was konnten Sie dadurch denn gewinnen?«
» Sie«, sagte ich.
Sie sah mich verwirrt an.
» Ich habe Sie gewonnen«, sagte ich. » Ich habe Sie dazu gebracht, über Marcus nachzudenken. Seit dieses Flugzeug gelandet ist, denken Sie darüber nach, wie Marcus an der Sache beteiligt sein könnte. Und jetzt denken Sie über den Wolf nach. Sie verbinden die Punkte.«
» Und warum wollen Sie das?«
» Ich hab’s Ihnen schon gesagt. Ich bin nicht für Marcus hier.«
» Wofür dann?«
» Aus demselben Grund, aus dem alle herkommen«, sagte ich. » Ich spiele gern.«
FÜNFUNDDREISSIG
Ich war geblendet, als ich aus dem Chelsea kam. Die Sonne war schnell und heiß am Himmel heraufgestiegen und der Frühnebel verdunstete. Der ganze Boardwalk erwachte, und die ersten Touristen fielen am Strand ein. Ich ging den Plankenweg hinunter bis zu einem kleinen Frühstückscafé, das bereits geöffnet hatte. Es war nicht mehr als ein Loch in der Mauer, und Fenster und Türen waren mit Spezialangeboten vollgeschrieben. Ich bestellte vier Eier und Kaffee, setzte mich draußen hin und sah zu, wie die Leute vorbeigingen. Dann trank ich vier Tassen Kaffee und versuchte nachzudenken.
Angela und ich gingen dauernd in Cafés in verkehrsreichen Straßen und sahen dort den Leuten zu. Wir saßen an einer Kreuzung mit viel Betrieb und beobachteten, wie sie die Zebrastreifen überquerten. Manchmal machten wir uns Notizen, damit wir uns später über diejenigen unterhalten konnten, die uns aufgefallen waren. Wir achteten darauf, wie die Leute beim Reden die Hände bewegten. Wie sie gingen. Wie sie sich kleideten. Es ging darum, wie sie sich verhielten, wenn sie nicht ahnten, dass sie beobachtet wurden. » Ein Mensch in einem Café ist unsichtbar«, sagte Angela immer. » Alle sehen ihn, aber niemand schaut hin.«
Ich hielt Ausschau nach Wolfs Leuten.
Es war nur eine Frage der Zeit, wann sie mich wiederfanden. Der Wolf war nicht dumm. Jeder Idiot hätte inzwischen herausgefunden, was aus Aleksei und Martin geworden war, und einen Trupp losgeschickt, um mich zu schnappen. Ich sah mich um und vergewisserte mich, dass niemand in Hörweite war. Der Boardwalk war voller Geräusche, die jede akustische Überwachung unmöglich machen würde. Fahrradrikschas klapperten über die Planken. An Karussells und Achterbahnen heulten Sirenen. Durch die Ladentüren dröhnte Radiolärm mit voller Lautstärke.
Ich klappte ein neues Telefon auf und rief Alexander Lakes an. Er meldete sich nach dem ersten Klingeln.
» Ich habe Ihnen einen Zugang besorgt«, sagte er statt einer Begrüßung.
» Ja?«
» Ich habe eine Telefonnummer, unter der Sie jemanden bei der Polizei erreichen. Grenzenlos bestechlich und vorsichtig bis zum Geht-nicht-mehr. Der Mann stellt seine eigenen Bedi ng ungen für ein
Weitere Kostenlose Bücher