Ghostman: Thriller (German Edition)
es nie vermutet. Ihre Jacke war in den Ellenbeugen zerknittert, und an ihrer Bluse standen die beiden oberen Knöpfe offen, aber ihre Augen blickten so scharf wie vorher, und ihr Eyeliner sah so frisch aus, als habe sie ihn gerade erst aufgetragen. Ihr Haar fiel in glatten Wellen auf die Schultern. Der Mann hinter der Theke wollte herüberkommen, aber sie winkte ab.
» Ich war an der Stelle am Highway, von der Sie gesprochen haben«, sagte sie. » Sie haben die scheußliche Gewohnheit, bösen Menschen über den Weg zu laufen, wissen Sie das? Der Wagen, den Sie da abgebrannt haben, gehört Harrihar Turner.«
Ich zuckte die Achseln. » Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
» Das kann ich von Ihnen bald nicht mehr hören.«
Ich schüttelte den Kopf. Sie würde keine Antwort von mir bekommen.
Agent Blacker seufzte. » Haben Sie eine Ahnung, wer Harrihar Turner ist?«
» Das ist der, den sie Wolf nennen, oder?«
» Ja«, sagte sie. » Den Wolf, als wäre es eine Art Adelstitel. Der Mann tut gern so, als regierte er diese Stadt, und vielleicht tut er das auch. Zu verschiedenen Gelegenheiten hatten wir ihn wegen Mordes, Meth, Heroin, Kinderprostitution und einem Dutzend anderer Sachen dran, aber nichts bleibt je hängen. Er stolziert in der Stadt herum, als wäre er der Bürgermeister.«
» Klingt nach einem Stück Dreck.«
» Ja, aber Dreck mit viel Geld. Ich habe schon Zeugen an diesen Kerl verloren.«
» So funktioniert das Justizsystem.«
Sie knurrte wütend.
» Sie sollten feststellen, ob er etwas mit dem Überfall zu tun hat, von dem Sie da reden«, schlug ich vor. » Gut möglich, dass ein Typ wie der sich ein Casino vornimmt.«
» Haben Sie einen Grund zu dieser Annahme?«
» Das ist nur die bescheidene Ansicht eines interessierten Bürgers.«
» Hören Sie auf.«
» Ich habe Ihnen nichts versprochen«, sagte ich. » Wenn Sie glauben, ich überreiche Ihnen diesen Fall auf einem silbernen Tablett und mit einem hübschen Schleifchen extra für Sie, dann muss ich Sie noch einmal enttäuschen. Ich sage nur, was ich täte, wenn ich Sie wäre. Ich gebe Ihnen einen Grund, mich weiter zu beobachten.«
» Sie versuchen mir einen Grund zu geben, Sie nicht einzusperren.«
Ich nickte. » Das auch.«
Blacker lehnte sich im Sessel zurück. » Für mich sieht es aus, als wollten Sie ablenken. Sie kommen mit diesem Mist über Harry Turner, damit ich Marcus Hayes in Ruhe lasse, aber ich glaube, das werde ich nicht tun.«
Ich schüttelte den Kopf. » Das haben Sie missverstanden. Ich hoffe, Sie schnappen sie beide. Ich hoffe, Sie schnappen alle, die in diesen Raubüberfall verwickelt sind, und bringen sie für alle Zeit in den Knast. Wenn dieser Wolf nur halb so übel ist, wie es sich anhört, dann ist eine lebenslängliche Haftstrafe besser als das, was er verdient.«
Sie zog die Nase kraus. » Natürlich.«
» Aber Sie müssen an der richtigen Stelle suchen. Sie haben gesagt, von Ihnen aus kann Marcus auch Fort Knox ausrauben, das ist Ihnen egal. Der Wolf dagegen ist Ihnen nicht egal. Wenn Sie ihn für diese Sache drankriegen könnten, wäre das ein Riesenerfolg für Sie.«
» Und wo sollte ich dann suchen, Mystery Man?«
» Finden Sie den dritten Schützen«, sagte ich. » Dann hätten wir Gesprächsstoff.«
Wir schwiegen einen Moment lang. Blacker starrte mich an und blies Rauch zu mir herüber. Viel mehr würde sie nicht aus mir herausbekommen, das wusste sie. Ich balancierte schließlich auf einem sehr dünnen Seil. Sie wusste, ich war in den Fall verwickelt, aber ich würde nichts sagen, womit ich mich belastete. Ich musste Ruhe bewahren, das war ihr klar. Wenn sie meine Hilfe haben wollte, musste sie nach meinen Regeln spielen, auch wenn sie das nicht entzückte. Sie sah mich an, wie eine Mutter es tut, wenn ihr Kind die Klappe halten soll.
» Wer sind Sie wirklich?«, fragte sie schließlich.
» Das hatten wir schon.«
» Ja.«
» Ich hab’s Ihnen gesagt.«
» Nein, Sie haben mir eine Geschichte erzählt. Übrigens alles Bullshit.«
» Ich habe gesagt, was ich bin. Ich bin ein Mann, der Urlaub macht.«
» Ich muss mir das von Ihnen nicht gefallen lassen, wissen Sie.«
» Nein, das müssen Sie nicht. Aber ich bin hier, und Sie sind hier, und das muss doch etwas bedeuten.«
» Tut es auch. Es bedeutet, dass ich weiß, was Sie hier versuchen«, sagte sie. » Und ich weiß noch mehr.«
» Was zum Beispiel?«
» Ich weiß, dass Sie heimliche Beweggründe haben, von denen Sie mir nichts
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