Ghostwalker 01 - Ghostwalker 01
schützende Decke.
„Ja.“ Nach einer letzten flüchtigen Berührung wandte er sich um und marschierte los. In einer Hand hielt er die Tüte, in der anderen den Baseballschläger. Anscheinend rechnete er mit Ärger, auch wenn er so sorglos tat. Dieser Gedanke bewirkte, dass sie ihm schnell folgte.
Er legte ein Tempo vor, das am Tag und in ausgeruhtem Zustand kein Problem für sie gewesen wäre, doch jetzt stolperte sie mehr oder weniger hinter ihm her und hatte Mühe, weder hinzufallen, noch ihn aus den Augen zu verlieren. Immerhin schien er zu merken, wann sie nicht mehr mitkam, denn ab und zu verringerte er sein Tempo und ging erst weiter, wenn sie wieder dicht hinter ihm war. Marisa wusste nicht, wie lange sie so durch die Wildnis liefen, in ihrer Erschöpfung schaffte sie es nur noch, einen Fuß vor den anderen zu setzen, bis selbst das irgendwann nicht mehr funktionierte. Anstatt einen weiteren Schritt zu machen, fiel sie stumm vornüber und landete auf dem weichen Waldboden. Schwärze hüllte sie ein.
7
Coyle wirbelte herum, als er den Aufprall hörte. Sein Herz setzte für einen Moment aus, als er Marisa am Boden liegen sah. Rasch kniete er sich neben sie und legte seine Hand auf ihren Rücken. „Marisa?“
Sie rührte sich nicht, aber er spürte ihren regelmäßigen Herzschlag und hörte ihre tiefen gleichmäßigen Atemzüge. Erleichterung breitete sich in ihm aus, und ein warmes Gefühl durchströmte ihn. Marisa musste durch die Aufregung und den anstrengenden Marsch völlig erschöpft sein. Er hatte schon vorher bemerkt, wie dickköpfig sie war, aber dass sie so weit gehen würde, einfach zusammenzuklappen, statt eine Pause einzulegen, hätte er nicht erwartet.
Es wurde Zeit, einen sicheren Platz zu finden, wo sie sich ausruhen konnten. Coyle hob Marisa hoch. Zuerst würde er sie wegbringen und dann zurückkehren und ihr Gepäck holen. Oder vielmehr die Sachen des unbekannten Jeepbesitzers. Vermutlich sollte er sich schuldig fühlen, aber er war einfach nur froh, dass Marisa den Wagen gefunden hatte. Über ihre Geschichte mit dem Adler musste er noch einmal nachdenken. Er hatte einen Verdacht, wer dahinterstecken könnte, war sich aber nicht sicher. Auf jeden Fall war es eine interessante Entwicklung, die er beobachten würde, sowie er Bowen gefunden hatte und die Situation geklärt war.
Doch zuerst musste er entscheiden, was er mit Marisa machen sollte. Er würde sie in seinem Zustand nicht auf einen Baum bekommen, während sie schlief. Außerdem brauchte er einen Platz, wo er sich um ihre Verletzungen kümmern konnte. Nach einer Weile fand er eine mit Moos bewachsene Stelle am Fuße einer riesigen Sequoia, die von Farnen und niedrigen Büschen verdeckt war. Natürlich würden die Verfolger sie mit ihrem Geruchssinn sofort finden, doch er ging davon aus, dass sie wieder unterwegs sein würden, bevor die Leoparden eintrafen. In wenigen Stunden würde die Sonne aufgehen, und sie würden sicher schneller vorankommen, vor allem weil Marisa dann sehen konnte, wohin sie trat. Vorsichtig legte er sie auf das Mooskissen, zog sein T-Shirt aus und schob es unter ihren Kopf. Nachdem er sicher war, dass sie es bequem hatte, holte er das Gepäck. Den Baseballschläger legte er neben das improvisierte Bett und setzte sich.
Eine Weile lauschte er nur ihren tiefen Atemzügen, dann begann er, ihren Ärmel aufzukrempeln, um sich die darunterliegende Wunde anzusehen. Er schnitt eine Grimasse, als er die tiefen Krallenspuren sah, die sich über ihren Unterarm zogen. Die Tatsache, dass er selbst sie im Schlaf ebenso verletzt hatte, behagte ihm nicht. Wie hatte er so die Kontrolle verlieren können? Aber es zeigte wieder einmal, warum sie in relativer Isolation lebten und andere Menschen möglichst mieden. Wenn er eine Wahl gehabt hätte, wäre er Marisa nie so nahegekommen. Ein tiefer Stich des Bedauerns durchzuckte ihn bei der Vorstellung, sie nie kennengelernt zu haben, ihren Mut, ihre Unabhängigkeit und ihren Humor, ihre weiche Haut und verführerischen Lippen …
Coyle biss die Zähne zusammen und konzentrierte sich darauf, die blutverkrusteten Striemen mit Wasser zu säubern. Da im Erste-Hilfe-Kasten nichts zum Desinfizieren der Wunde zu finden war, beugte er sich vor und leckte über die Verletzungen. Als er ein Stöhnen hörte, richtete er sich schnell wieder auf und wischte mit dem Handrücken über seinen Mund.
Marisas Augen öffneten sich, Verwirrung stand in ihnen, dicht gefolgt von Angst und
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