Ghostwalker 01 - Ghostwalker 01
Schwester.“ Bevor Marisa etwas erwidern konnte, sprach sie schon weiter. „Tut mir leid, dass ich hier so reinplatze, aber ich war neugierig, wen mein Brüderchen mitgebracht hat. Normalerweise hält er sich von Menschen so fern wie möglich und würde nie im Leben daran denken, einen in unser Lager zu führen.“
Während dieser Wortschwall über sie hereinbrach, nutzte Marisa die Zeit, Amber zu mustern. Coyles Schwester war deutlich kleiner als er und an den richtigen Stellen gerundet. Trotzdem war ihr anzusehen, dass unter ihrem eng anliegenden Kleid Muskeln steckten. Ihre Augen ähnelten Coyles, sie hatten den gleichen warmen Bernsteinton. Allerdings waren ihre rotblonden Locken eine Überraschung, und Marisa fragte sich unwillkürlich, welche Farbe wohl ihr Fell haben würde.
Amber schien ihr Schweigen anders zu deuten, denn sie verdrehte die Augen und streckte ihre Hände aus. „Es tut mir leid, so meinte ich das nicht.“
Marisa musste lächeln. „Wenn es die Wahrheit ist, warum sollten Sie es nicht sagen?“
„Dann bist du nicht wütend? Coyle würde mir nämlich das Fell über die Ohren ziehen, wenn ich dich verärgere. Jedenfalls hat er vorhin gesagt, ich soll dafür sorgen, dass du dich wohlfühlst und es dir an nichts fehlt.“
„Das ist nett. Aber wenn du etwas anderes zu tun hast …“
Amber winkte ab. „Aber nein, das hier ist viel aufregender.“ Sie sah sich um und runzelte die Stirn. „Ihr habt ja noch gar nichts gegessen!“
Marisa errötete, als sie daran dachte, was sie stattdessen getrieben hatten. „Ich wollte mich lieber erst waschen und etwas ausruhen. Und dann ist Coyle gegangen, und ich war zu müde …“
Wut überschattete Ambers Züge. „Ich hoffe, er reißt diesen elenden Mördern die Herzen raus und verfüttert sie an …“ Mühsam brachte sie sich wieder unter Kontrolle und atmete tief durch. „Allein die Vorstellung, was Coyle hätte passieren können, macht mich wahnsinnig.“
Besänftigend legte Marisa ihre Hand auf Ambers Arm. „Jetzt ist er in Sicherheit, und die Leoparden sind gefangen.“
„Aber er wird wieder in Gefahr geraten, sobald er von ihnen einen Hinweis darauf bekommt, wo Bowen sich aufhält.“ Amber sank auf einen der Stühle. „Ich wünschte, er würde das einem der anderen Männer überlassen oder wenigstens jemanden zur Unterstützung mitnehmen. Aber nein, er denkt, es wäre seine Aufgabe, und lässt nicht mit sich reden.“
„Warum tut er das?“
„Das ist eine lange Geschichte.“ Amber strich ihre Locken hinter ihr Ohr. „Und du hast sicher Hunger, greif ruhig zu.“
Marisa erkannte Ambers Ablenkung, beschloss aber, es erst einmal dabei zu belassen. Zur Not konnte sie immer noch Coyle selber fragen. Überhaupt schwirrte ihr vor lauter Fragen der Kopf, seit sie hier angekommen war. „Danke für das Essen und die Kleidung und vor allem für die Bürste.“
Das Lächeln war in Ambers Gesicht zurückgekehrt. „Glaub mir, ich weiß, wie es ist, wenn sich alles verklettet hat.“ Sie senkte ihren Blick. „Coyle hat wirklich einen guten Blick gehabt.“
„Warum?“
„Er hat die Kleidung für dich ausgesucht.“ Amber lachte über ihren Gesichtsausdruck. „Das hat er nicht erzählt, was?“
Unbehaglich hob Marisa die Schultern. Sie war es nicht gewöhnt, mit jemandem über persönliche Dinge zu sprechen, schon gar nicht mit einer Fremden, wenn sie auch noch so nett war. Um nicht antworten zu müssen, füllte sie sich etwas von dem Eintopf in eine Schüssel und probierte ihn. Ihre Augen weiteten sich, als der Geschmack in ihrem Mund explodierte. Sie sah auf und begegnete Ambers vergnügtem Blick. Rasch kaute sie und deutete mit dem Löffel auf die Schüssel. „Das ist richtig gut. Was ist da drin?“
Amber lächelte. „Das verrate ich dir, wenn du dich ein wenig eingewöhnt hast.“
Marisa senkte den Löffel, plötzlich stieg ihr ein Kloß in den Hals. „Ich werde nicht hierbleiben. Morgen kehre ich nach Mariposa zurück.“
„Oh.“ In diesem Moment erinnerten Ambers bernsteinfarbene Augen mehr denn je an Coyles. „Ich hatte angenommen …“ Sie brach ab und wedelte mit der Hand. „Wenn das so ist, werde ich dir das Rezept einfach aufschreiben, damit du es mitnehmen kannst.“
„Danke.“ Marisa holte tief Luft. „Wenn ich gewusst hätte, dass unser Abenteuer so ausgeht, hätte ich …“ Ja, was eigentlich? Sie hatte nicht ahnen können, dass so etwas wie Coyles Welt überhaupt existierte, aber sie brannte
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