Ghostwalker 01 - Ghostwalker 01
darauf, alles zu erkunden und so viele Informationen zu sammeln wie möglich. „Vielleicht kann ich später noch einmal hierherkommen und mehr über euch erfahren.“
Ambers Gesicht wurde verschlossener. „Das ist nicht möglich, du wirst uns nicht finden.“ Sie beugte sich vor und legte eine Hand auf Marisas Arm. „Das hat nichts mit dir zu tun, sondern ist ein Schutz gegen Entdeckung.“ Ihr Mund verzog sich schmerzhaft. „Was aber vermutlich auch nichts mehr bringt, jetzt, wo jemand bei uns eingedrungen ist und Bowen entführt hat. Es hält ihn ja nichts davon ab, noch einmal zu kommen.“
„Außer der Tatsache, dass er tot ist.“
„Was meinst du damit?“
„Wenn ich Coyle richtig verstanden habe, war der Entführer einer meiner Nachbarn. Er wurde von den Leoparden getötet.“
Amber legte ihre Finger auf ihre Lippen. „Es ist nicht richtig, aber ich bin froh darüber, dass er uns nicht mehr gefährden kann.“
„Er nicht, aber es könnte sein, dass er anderen davon erzählt hat. Coyle meinte, Bowen wäre nicht mehr in dem Haus gewesen. Also muss es jemanden geben, der ihn weggeschafft hat.“
„Der arme Junge.“ Ambers Stimme zitterte. „Es ist schlimm, von den anderen getrennt zu sein. Er muss furchtbare Angst haben.“
Für Marisa hörte sich das an, als hätte Amber schon einmal etwas Ähnliches erlebt, aber sie kannte sie nicht gut genug, um nachzufragen. „Vielleicht kann Coyle etwas aus den Leoparden herausbekommen.“ Obwohl ihr das ziemlich unwahrscheinlich vorkam, so mordlüstern, wie sie waren. Kaum vorstellbar, dass sie auch etwas Menschliches an sich haben sollten.
Marisas Blick wanderte zum Fenster, durch das sie neben Blättern auch ein Stück blauen Himmel sehen konnte. Es war so friedlich hier, und doch waren nur wenige hundert Meter entfernt zwei Mörder eingesperrt, die sie den ganzen Weg hierher verfolgt hatten und denen es beinahe gelungen wäre, sie zu töten. Hoffentlich war Coyle nicht genauso nachtragend wie sie selbst, denn dann würde er den Gefangenen langsam und schmerzhaft das Fell abziehen. Zeit für einen Themenwechsel.
„Coyle hat mich vorhin abgelenkt, aber ich würde zu gerne wissen, wie das mit dem Verwandeln funktioniert.“ Sie drehte sich wieder zu Amber um.
„Dazu kann ich dir gar nichts sagen. Es wurde nie erforscht, warum wir uns verwandeln können.“ Sie hob die Schultern. „Wir sind wohl eine Laune der Natur.“
Marisa nickte. „Und passiert es automatisch, oder müsst ihr die Verwandlung aktiv vorbereiten?“
„Normalerweise können wir mit den Gedanken steuern, in welcher Form wir uns befinden, und in der bleiben wir dann auch, bis wir uns verwandeln wollen. Allerdings gibt es Momente, in denen wir weniger Kontrolle darüber haben. Meist wenn wir Schmerzen haben, betäubt sind oder stark erregt. Generell lernt man die völlige Beherrschung erst im Laufe der Jahre.“
Amber hatte genau die Situationen geschildert, in denen Coyle Probleme gehabt hatte, in seiner Menschenform zu bleiben. Wahrscheinlich hätte sie in einer normalen Situation nie gemerkt, dass mit ihm etwas nicht stimmte. „Also denkt ihr ‚Berglöwe‘ und verwandelt euch?“
Lachend stand Amber auf. „Nein, es ist mehr …“ Sie stockte, ein ferner Ausdruck trat in ihre Augen. „Das ist schwierig zu erklären. Es sind weniger Worte, als vielmehr Bilder in unserem Kopf, deshalb ist es auch in dem Sinne kein bewusster Befehl. Mehr ein Gleiten von einer Form in die andere.“
Ob Amber merkte, wie sehnsüchtig ihre Worte klangen? Sie lösten in Marisa den Wunsch aus, sich auch verwandeln zu können. In Gegenwart der Wandler kam sie sich plötzlich so … eindimensional und langweilig vor.
14
Isabel schob ein Lesezeichen zwischen die Seiten und klappte das Buch zu. Einen Moment lang sah sie in den strahlend blauen Himmel und genoss das Gefühl, nichts für die Schule tun zu müssen. Stattdessen konnte sie endlich die Bücherstapel dezimieren, die mittlerweile jede Ecke in ihrem Zimmer ausfüllten. Gemeinsam mit ihrer Freundin Claire hatte sie den Club der Büchersüchtigen gegründet, und ihre regelmäßigen Treffen trugen dazu bei, dass sie noch mehr Bücher kauften als vorher.
Entschlossen stand Isabel von der Liege auf, die sie im Schatten eines Baumes aufgestellt hatte, und ging zum Haus zurück. Apropos Claire – sie hatte ihr versprochen, sie anzurufen, sobald sie angekommen war, und auch ihre Mutter wartete vermutlich auf einen Anruf. Isabel verzog den
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