Ghostwalker 03 - Raven, M: Ghostwalker 03
mal selbst hier umschauen.“
Juna zuckte zurück, als hätte er sie geschlagen. Der Druck in ihrem Brustkorb steigerte sich, und sie stand ruckartig auf. Sie musste hier weg, bevor sie etwas Dummes tat, wie in Tränen auszubrechen oder Talon eine Ohrfeige zu geben. Wortlos wollte sie sich an ihm vorbeidrängen, doch Talon stieß einen tiefen Seufzer aus und zog sie mit einem Arm an sich. Unvermittelt wurde sie an seine breite Brust gedrückt.
Seine Hand schob sich in ihre Haare und legte sich um ihren Nacken. „Es tut mir leid, das hätte ich nicht sagen sollen.“
„Nur denken?“ Ihre Stimme klang dumpf, weil ihr Kopf an seinen Brustkorb gepresst war.
„Auch das nicht. Ich weiß, dass du deine Arbeit gut machst, Juna. Und früher hat es sicher auch gereicht, dass wir weitab der Menschen lebten. Aber das Beispiel der Berglöwenwandler hat uns gezeigt, dass wir uns darauf nicht ausruhen können. Irgendwann könnte jemand hierherkommen und uns überfallen. Sicher, wir können uns verteidigen, wenn es nur ein paar wenige Menschen sind. Aber stell dir vor, es kommen mehr Männer, die Jagd auf uns machen – wir hätten keine Chance, wenn sie gut ausgerüstet sind.“
Juna konnte das harte Klopfen seines Herzens an ihrer Wange fühlen. Bisher hatte sie nie das Gefühl gehabt, dass Talon sich so viele Gedanken über die Dinge machte. Er war ihr sogar ein wenig oberflächlich vorgekommen, wenn auch nett und immer fröhlich. Aber das hier war eine andere Seite an ihm, eine ernsthaftere, die ihr überraschend gut gefiel. Ihr Herz begann schneller zu schlagen.
Rasch löste sie sich von ihm und sah zu ihm auf. „Was können wir denn dagegen tun? Es sind immer Wächter im Gebiet unterwegs. Wir leben größtenteils in den Klippen oder in Baumhäusern in den Wipfeln der höchsten Bäume. Die Berglöwenwandler leben häufig auf dem Boden, jedenfalls nach dem, was Griffin über sie erzählt hat. Wahrscheinlich war es leichter, sie zu überwältigen.“
„Das mag sein, und eine Patentlösung habe ich nicht. Eigentlich will ich nur, dass die Oberen darüber nachdenken und nicht immer nur abblocken und sagen, dass wir in Sicherheit sind und uns nichts geschehen kann. Und im Nachhinein finde ich es auch unverantwortlich, eine Botschafterin von einer anderen Wandlergruppe anzugreifen und gar nicht erst anzuhören. Wer weiß, vielleicht haben die Berglöwen gute Ideen, wie man sich besser schützen kann. Noch schlimmer finde ich, dass ein so starker Kämpfer wie Griffin weggeschickt wird, ganz zu schweigen davon, dass hier sein Zuhause ist. Wir können es uns nicht leisten, auch nur einen Adlerwandler zu verlieren, wenn wir sowieso schon Mühe haben, unsere Art zu erhalten.“
Ciaran mischte sich zum ersten Mal wieder ein. „Du hörst dich an wie Griffin.“
Talon wandte sich von Juna ab, um den Wächter anzusehen. „Danke, das nehme ich als Kompliment.“
Ciaran neigte den Kopf. „Was willst du nun eigentlich erreichen? Ich bezweifle, dass die Oberen sich von dir in ihre Entscheidungen reinreden lassen.“
„Das weiß ich. Deswegen dachte ich, wenn wir genug andere mobilisieren können, die ebenfalls ihre Bedenken äußern, dann müssen die Oberen handeln. Ich kann doch nicht der Einzige sein, der es nicht in Ordnung findet, wenn einer der Unseren aus dem Lager vertrieben wird, nur weil er vielleicht eine andere Meinung hat. Griffin hat niemandem etwas getan, ganz im Gegenteil.“
Juna hatte noch nie bemerkt, dass Talons Augen neben den braunen auch grüne Anteile hatten. Das Grün verstärkte sich, wenn er erregt war. Von seinem Blick gebannt bekam sie Ciarans nächste Frage kaum mit.
„Wen genau meinst du mit ‚wir‘?“
Talon lächelte sie ein wenig verlegen an. „Euch beide natürlich.“
„Dir ist aber schon klar, wie es wirken wird, wenn wir uns als Wächter gegen die Oberen stellen?“ Ciaran sah immer noch so aus, als würde er über das Wetter sprechen. Keine Regung war seinem Gesicht anzusehen. Juna wünschte, sie hätte auch diese Gabe, doch ihr sah man immer sofort an, was sie dachte.
Eindeutig ungeduldig stieß Talon ein Schnauben aus. „Ja, natürlich weiß ich das. Aber vielleicht ist es auch eine Möglichkeit, die Oberen zum Nachdenken zu bringen, wenn sie es von den Leuten hören, die ihnen eigentlich am nächsten stehen sollten.“ Er blickte erst Ciaran und dann Juna an. „Wenn ihr nicht mitmachen wollt, sagt es einfach, dann brauche ich hier nicht länger meinen Atem zu
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