Ghostwalker 04. Fluch der Wahrheit
mich damit so einfach zufriedengebe.«
20
Offensichtlich frustriert trat Torik näher. Caitlin bemühte sich, nicht zurückzuweichen und vor allem nicht seinen wunderschönen Körper anzustarren. Er schien völlig vergessen zu haben, dass er nackt war. Und auch wenn sie furchtbar wütend auf ihn war, konnte sie sich nicht dazu bringen, ihn aufzufordern, sich etwas anzuziehen. Wer wusste schon, wann sie ihn jemals wieder so sehen würde? Ein Stich fuhr durch ihr Herz, als ihr klar wurde, dass ihre gemeinsame Zeit zu Ende ging. Entweder würde sie sich weigern, ihre Quelle zu verraten, und das Hotelzimmer verlassen, um nach Hause zurückzukehren, oder sie würde sagen, was sie wusste, und Torik hätte keinen Grund mehr, in ihrer Nähe zu bleiben.
Toriks Hände legten sich auf ihre Schultern. »Sieh mir in die Augen, Caitlin.«
Zögernd hob sie den Kopf und traf seinen Blick. Katzenaugen starrten ihr aus Toriks Gesicht entgegen. Nein, das war völlig unmöglich! Als sie versuchte, sich von ihm zu lösen, hielt er sie nur noch fester.
»Oh nein, du bleibst schön hier. Du wolltest einen Beweis, also bekommst du ihn jetzt auch.« Toriks Stimme klang rau. Er ließ sie erst los, als sie heftig zu niesen begann. »Du solltest dich vielleicht doch lieber vor das Fenster setzen, damit deine Allergie nicht schlimmer wird.«
Wortlos tat Caitlin, was er vorschlug. Sie war innerlich wie gelähmt, ihr Gehirn nicht fähig, das zu begreifen, was sie gesehen hatte. Es konnte überhaupt nicht möglich sein. Gestaltwandler waren reine Fantasie, es konnte sie in der Realität nicht geben. Alles in ihr sträubte sich dagegen, so etwas zu glauben. Wahrscheinlich machte sich jetzt doch ihre Erziehung bemerkbar, in der ihre Eltern versucht hatten, ihr jegliche Träumerei auszutreiben. Es war ihnen nicht gelungen, und sie hatte schließlich ihren Wunsch, Autorin zu werden, durchgesetzt, doch es hatte das Verhältnis zu ihren Eltern nachhaltig beschädigt. Aber das war nicht der Grund, warum sie zögerte, ihren Augen zu trauen. Zu glauben, dass es solche Wesen gab, war gefährlich, denn dann glitt sie vielleicht noch weiter in ihre Fantasien ab und verlor den Bezug zu ihrem wirklichen Leben.
Langsam ließ sie sich auf den Stuhl sinken und traute sich nicht, ihre Augen von Torik abzuwenden. Automatisch hielt sie den Atem an, als Torik die Vorhänge schloss und das Licht anmachte, sodass sie ihn in all seiner Pracht sehen konnte. Er war wunderschön, und für einen Moment wünschte sie sich, sie hätte das Buch nie entdeckt. Dann würde er jetzt vielleicht mit ihr im Bett liegen, und sie hätte ihre Finger über seine warm leuchtende Haut gleiten lassen können, während sie sich liebten. Aber das wäre nur eine Illusion gewesen. Caitlin atmete keuchend ein, als Schmerz durch ihre Brust fuhr.
»Geht es dir gut?« Besorgnis war in Toriks Stimme zu hören.
Verlegen wedelte Caitlin mit der Hand. »Ja, ich habe nur falsch geatmet.«
Torik schien nicht überzeugt zu sein, doch schließlich nickte er. »Okay. Aber wenn sich deine Allergie verschlimmert, wenn du keine Luft bekommst oder Ähnliches, sag Bescheid. Ich kann jederzeit aufhören.«
»Du hast ja noch nicht einmal angefangen!«
Ein leises Lachen antwortete ihr. Ohne ein weiteres Wort begann Torik sich zu verwandeln. Seinen Blick hielt er dabei die ganze Zeit auf sie gerichtet, und sie schaffte es nicht, wegzuschauen. Langsam, fast in Zeitlupe verbreiterte sich seine Nase, Reißzähne ragten aus seinem Mund. Fell erschien und bedeckte seine Haut. Seine Hände und Füße verwandelten sich zu Pfoten, und schließlich fiel Torik zu Boden. Sein Körper war jetzt der eines Berglöwen. Oh Gott, wie war das möglich? Caitlin merkte, dass ihr der Mund offen stand, und schloss ihn rasch. Ihre Hand presste sich auf ihr wild hämmerndes Herz, und sie war nur froh, dass sie sich hingesetzt hatte, denn ihre Beine hätten sie bestimmt nicht mehr getragen.
Auch wenn sie es gerade mit eigenen Augen gesehen hatte, wollte ihr Gehirn nicht glauben, was passiert war. Der Berglöwe sah sie mit seinen braunen Augen an, die etwas heller waren als zuvor. »Torik?«
Langsam kam er auf sie zu, die Pfoten lautlos auf dem Teppich. Auch wenn es merkwürdig wirkte, ein Wildtier in einem Hotelzimmer zu sehen, war der Berglöwe wunderschön. Sie konnte beinahe die Wälder riechen, die sonst seine Heimat waren. Ein Schock lief durch ihren Körper, als ihr bewusst wurde, wie sehr die Situation der ihrer
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