Ghostwalker - Raven, M: Ghostwalker
schon wesentlich mehr als noch vor ein paar Stunden. Wir werden sie da rausholen.«
Keira blickte aus dem Fenster auf die langsam erwachende Stadt. »Ja, das werden wir.« Und wenn irgendjemand versuchte, sie davon abzuhalten, würde er es bereuen.
Sawyers Hand schob sich um ihren Nacken und er legte seine Stirn an ihre. »Versprich mir, dass wir das gemeinsam durchziehen. Ich möchte nicht, dass dir etwas geschieht.« Seine Worte lösten eine Mischung aus Wut und Wärme in ihr aus. Der Ärger gewann, vermutlich, weil sie sich nicht traute, das andere Gefühl anzuerkennen.
Ein warnendes Knurren löste sich aus ihrer Kehle. »Ich bin Wächterin und weiß, wie ich mich in solch einer Situation zu verhalten habe. Ich brauche niemanden, der auf mich aufpasst.«
»Das habe ich auch nicht angenommen.« Seine Stimme klang ganz ruhig, was sie noch mehr aufregte. »Ich dachte eher, dass wir größere Chancen haben, Isabel und auch mögliche andere Wandler dort lebend herauszubekommen, wenn wir alle zusammenarbeiten.«
Er meinte es ernst, so viel konnte selbst sie erkennen und damit verpuffte auch ihr Ärger. »Ob du es glaubst oder nicht, ich hatte nicht vor, kopflos in das Gebäude zu stürmen.«
»Gut.« Seine Lippen strichen sanft über ihre, bevor er ein Stück abrückte. »Ich möchte dich nicht verlieren.«
Ihr Herz klopfte schmerzhaft in ihrer Brust. »Sawyer … « Sie wollte ihm sagen, dass er sie erst einmal haben musste, um sie verlieren zu können, doch ihre Kehle zog sich zusammen und sie brachte keinen Ton mehr hervor.
Sawyer wandte sich dem Fenster zu und sah hinaus. Keira hob ihre Hand und wollte sie auf seinen Rücken legen, zog sie dann jedoch wieder zurück. Es wäre nicht richtig, ihm Hoffnungen zu machen, dass irgendetwas aus ihnen werden konnte. Wenn es überhaupt das war, was er wollte. So freundlich und offen er auch zu sein schien, so wenig verriet er über sich. Und das war von ihm so beabsichtigt, dessen war sie sich sicher. Vermutlich sollte sie froh sein, dass er ihr einen Grund gab, sich ihm ebenfalls nicht zu öffnen, aber irgendwie funktionierte es nicht. Auch wenn es zu nichts führen konnte, wollte sie doch wissen, wer Sawyer war. Woher er kam, was die Narben an seinem Körper und in seinem Gesicht verursacht hatte und warum er jetzt mit seiner Gruppe in der Nähe von Las Vegas lebte, wo es noch schwerer war, sich vor den Menschen zu verstecken als im Wald.
Keira ballte ihre Hand zur Faust und ließ sie in ihren Schoß fallen. Vielleicht war es besser, wenn sie nicht zu viel übereinander wussten, dann würde die Trennung leichter werden. Mühsam unterdrückte sie einen tiefen Seufzer, als sie erkannte, dass das reines Wunschdenken war.
»Wir sind bald da.« Carusos Ankündigung riss sie aus ihren Gedanken. Sein Blick lag im Rückspiegel auf ihr. Sie fragte sich, wie viel er von dem Zwischenspiel zwischen ihr und Sawyer mitbekommen hatte. Dann erinnerte sie sich daran, dass er wie Isabel die Gefühle von Katzenwandlern wahrnehmen konnte, und spürte Hitze in ihre Wangen schießen.
Sofort richtete sie sich gerader auf und blickte aus dem Fenster. Die Häuser waren höher geworden, sie wirkten wie Bürogebäude, mit unzähligen Fenstern und schlichten Fassaden. »Wo sind wir hier?« Glücklicherweise klang ihre Stimme normal, sodass Sawyer vermutlich nicht merkte, wie sehr das Gespräch sie aufgewühlt hatte.
»Einige der Gebäude gehören zur Universität, andere zu wissenschaftlichen und technischen Einrichtungen. Auch ein Krankenhaus befindet sich in der Gegend.«
»Was genau verstehst du unter ›wissenschaftliche Einrichtungen‹?«
Ein Muskel zuckte in Carusos Wange. »Labore.«
Keiras Herz sank. Die Vorstellung, was Wandlern im Namen der Forschung oder irgendeines anderen angeblich humanitären Zwecks in solch einem Labor angetan werden konnte, ließ sie schaudern. Sie hatte gesehen, was ein paar Tage in Stammheimers Kellerlabor in Bowen bewirkt hatten, aber wenn ein Wandler längerfristig irgendwo eingesperrt war, würde er zugrunde gehen. Geistig und körperlich. Hoffentlich kamen sie nicht zu spät, um sie zu retten. Wenn ihr Geist gebrochen war, konnten sie sich zu Einzelgängern entwickeln, denen alles Menschliche fehlte. Keira hatte von einigen Wandlern gehört, die sich so weit von ihrer Herkunft entfernten, dass sie andere Tiere zum Vergnügen töteten und nicht etwa als Nahrung. Ihre Finger gruben sich in ihre Beine. Wenn irgend möglich, würde sie das
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