Ghostwalker - Raven, M: Ghostwalker
ein, während Harken noch den Motor ausschaltete. Die Verbindung zu Isabel zog ihn vorwärts, bis er am Rand des Waldes kauerte und zu einem fünfstöckigen Gebäude starrte, in dem er sie vermutete. Es lag hinter dem wesentlich höheren Haus, an dem sie auf der Straße vorbeigefahren waren. Wäre er dort ausgestiegen, hätte er wahrscheinlich in dem falschen Gebäude nach ihr gesucht. Er drehte sich nicht um, als Harkens Geruch hinter ihm stärker wurde. Stattdessen versuchte er, Isabels Standort im Gebäude zu bestimmen.
»Kannst du zu ihr durchdringen, eine Nachricht senden oder so?« Harkens Stimme war beinahe tonlos.
Noch einmal sandte er Bilder zu Isabel, doch er konnte keine Reaktion darauf spüren. Warum konnte sie ihn nicht empfangen, wenn sie doch so nah war? Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie versucht, sich geistig abzuschotten.«
»Vielleicht würde es sie sonst überlasten, wenn dort Katzenwandler im Gebäude sind. Du hast selbst gesagt, dass die Verbindung gestern abrupt abgerissen ist, nachdem sie unerträgliche Schmerzen hatte. Ich könnte mir vorstellen, dass sie versucht, das nicht noch einmal zuzulassen, und sich deshalb abschottet, um sich selbst zu schützen.«
Bowen nickte langsam. »Das wäre möglich.« Aber das machte es auch schwieriger – wenn nicht gar unmöglich – für ihn, ihr geistig beizustehen. Ein Gefühl der Hilflosigkeit erfasste ihn, während er weiter zum Gebäude starrte.
Harken legte seine Hand auf Bowens Schulter. »Wir werden sie da rausholen.«
Bowens Kehle schnürte sich zusammen. Hoffentlich hatte Harken recht, sonst wusste er nicht, was er tun sollte.
Isabel bemühte sich, so ruhig wie möglich zu liegen, während sie herausfand, wo sie sich befand und was geschehen war. Mühsam hielt sie die Sperre in ihrem Kopf aufrecht, während sie die Augen öffnete, und sah sich um, bevor sie erleichtert aufatmete. Sie befand sich wieder in dem Raum, in den sie abends gebracht worden war. Für einen Moment hatte sie beim Aufwachen gedacht, die ganze Entführung wäre nur ein Traum gewesen, doch leider war das alles wirklich passiert. Sie erinnerte sich an die mörderischen Kopfschmerzen und vor allem an die armen Wandler, die in Käfigen vor sich hin vegetierten. Sie mochte sich nicht vorstellen, was sie tagsüber in dem Labor erleiden mussten. Wenn sie ihnen doch nur hätte helfen können! Aber sie schaffte es noch nicht einmal, sich selbst zu befreien. Vage konnte sie sich noch entsinnen, wie die Schmerzen überhand genommen hatten und ihr schwarz vor Augen geworden war. Als sie ohnmächtig wurde, musste sie irgendwo hingebracht worden sein. Wo immer das auch war, im Moment war sie allein.
Isabel setzte sich auf und presste die Hände an ihren Schädel. Der scharfe Schmerz war inzwischen einem dumpfen gewichen. Am Rande ihres Bewusstseins nahm sie noch immer die Wandler wahr. Wieso konnte Isabel sie jetzt spüren, aber nicht, bevor sie im Keller gewesen war? Noch so ein Rätsel, das ihre »Gabe« mit sich brachte. Der altbekannte Ärger darüber setzte wieder ein. Zwar war jetzt geklärt, dass sie die Fähigkeit wohl von ihrem leiblichen Vater geerbt hatte, aber sie wusste immer noch nicht, zu was sie gut sein sollte oder wie sie überhaupt zustande kam. Caruso war doch ein ganz normaler Mensch, oder?
Ihr Herz begann schneller zu klopfen, als sie über die Möglichkeiten nachdachte. Früher hatte sie nie geglaubt, dass es paranormal begabte Menschen geben könnte, doch wenn Wandler existierten, warum dann nicht auch Menschen mit übernatürlichen geistigen Fähigkeiten? Das war doch wesentlich vorstellbarer als Wesen, die ihre Körperform ändern konnten – wie auch immer das funktionierte. Als sie es zum ersten Mal bei Bowen beobachtet hatte, war sie entsetzt, aber auch fasziniert gewesen. Sein menschlicher Körper hatte sich nach und nach in den eines Berglöwen verwandelt, Fell hatte die nackte Haut bedeckt, seine Hände und Füße waren zu Pfoten geworden, Mund und Nase zu einer Schnauze. Er hatte sogar einen langen Schwanz!
Da sie merkte, wie sehr das Thema sie aufregte, schob sie es rasch beiseite. Wenn Lee wiederkam, wollte sie ihm so gefasst wie möglich entgegentreten, und das ging nur, wenn sie an etwas völlig Banales dachte. Zum Beispiel an Essen. Wie auf Befehl knurrte ihr Magen und sie verdrehte die Augen. Ganz toll. Warum hatte sie gerade jetzt daran gedacht? Davor war ihr überhaupt nicht
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