Ghostwalker - Raven, M: Ghostwalker
aufgefallen, wie hungrig sie war. Aber das ließ sich wesentlich besser aushalten, als die Schmerzen in der Nähe der Wandler.
Matt ließ sie sich wieder auf die Bettkante sinken. Das Warten machte sie mürbe, aber sie durfte die Hoffnung auf Rettung nicht aufgeben. Dafür musste sie stark bleiben und durfte nicht ihrer Angst oder den Schmerzen nachgeben. Isabel richtete sich gerader auf und strich ihre zerzausten Haare zurück. Es wurde eindeutig Zeit, dass sie sich wieder unter Kontrolle brachte und sich nicht mehr gehen ließ. Abrupt erhob sie sich und marschierte in das kleine Bad. Rasch wusch sie ihr Gesicht, putzte ihre Zähne und kehrte in den anderen Raum zurück. Nachdem sie noch einmal alles überprüft hatte, um festzustellen, ob sie in der Nacht einen Fluchtweg übersehen hatte, setzte sie sich in den Sessel. So konnte sie sich wenigstens noch ein wenig ausruhen, bevor Lee zurückkam, sie befreit wurde oder floh – je nachdem, was eher geschah. Isabel atmete tief durch und versuchte, ihre angespannten Nerven zu beruhigen. Sie war vor einem Jahr unbeschadet aus dem Labor ihres Vaters entkommen und das würde ihr sicher auch jetzt wieder gelingen. Ungebeten schob sich ein Bild von Marisa vor ihr geistiges Auge, wie sie schwer verletzt im Krankenhaus gelegen hatte, sichtlich von Schmerzen geplagt.
Wenn dieser Lee dafür verantwortlich war, genauso wie für die Ermordung Henry Stammheimers – sie weigerte sich, an ihn weiterhin als ihren Vater zu denken –, dann war es ganz und gar nicht sicher, dass sie heil aus der Sache herauskommen würde. Ganz im Gegenteil. Lee konnte es sich eigentlich gar nicht leisten, sie am Leben zu lassen, nachdem sie sowohl ihn als auch sein Labor gesehen hatte. Ihr Magen zog sich zusammen und sie presste eine zitternde Hand auf ihren Bauch. Oh Gott! Als Henry sie mit Bowen eingesperrt hatte, war sie entsetzt gewesen und hatte sich auch gefürchtet, aber tief in ihrem Innern war sie davon überzeugt gewesen, dass er ihr nichts tun würde. Doch das hier war völlig anders. Sie musste sich darauf einstellen, vielleicht nicht mehr lange zu leben.
Angst breitete sich in ihr aus, ein Zittern lief durch ihren Körper. Tränen stiegen in ihre Augen, als sie an die Menschen dachte, die sie vielleicht nie wiedersehen würde. Auch wenn ihre Mutter oft oberflächlich war und sich nicht immer um sie kümmerte, wusste Isabel, dass Felicia sie liebte und um sie trauern würde. Dann war da noch ihre Freundin Claire, die sie furchtbar vermissen würde. Marisa und Coyle, die im letzten Jahr trotz der Entfernung zu guten Freunden geworden waren. Und Bowen … Eine Träne lief über ihre Wange und sie wischte sie hastig weg. Warum konnte sie ihn nicht vergessen, wenn er doch so offensichtlich nichts von ihr wissen wollte?
Außerdem kannte sie ihn gar nicht richtig. Er war ein Berglöwenwandler und lebte in der Nähe des Yosemite. Das war alles, was sie über ihn wusste. Gut, er war auch mutig und mitfühlend gewesen, hatte sie im Arm gehalten und getröstet. Und er hatte sie geküsst, als wäre sie etwas Besonderes. Als würde sie ihm etwas bedeuten. Vielleicht …
Isabel sprang auf, als die Tür aufging und Lee eintrat.
»Guten Morgen!« Er strahlte regelrecht.
Wortlos starrte Isabel ihn an. Anscheinend war er heute ausnehmend gut gelaunt. Wie konnte er lächeln nach allem, was passiert war? Aber eigentlich brauchte sie sich das nicht fragen, schließlich bekam er alles, was er wollte. Sie war in seiner Gewalt und gestern hatte sie ihm durch ihre Reaktion bewiesen, dass eine Verbindung zu den Wandlern bestand.
Lees Grinsen wurde breiter. »Wenn du denkst, dass du mich mit deinem Schweigen treffen kannst, muss ich dich enttäuschen. Aber ich würde dir raten, mit mir zu reden, dann kannst du vielleicht noch ein wenig länger leben.«
Isabel schlang die Arme um ihren Oberkörper. »Sie sagten gestern, ich wäre Ihr Gast. Warum wundert es mich nicht, dass Sie mich belogen haben?« Bevor er antworten konnte, machte sie eine wegwerfende Handbewegung. »Aber jemandem, der Menschen und Tiere einsperrt und sie wahrscheinlich sogar für Versuche missbraucht oder foltert, ist wohl alles zuzutrauen.«
Seine Augenbrauen zogen sich drohend zusammen. »Du weißt überhaupt nichts über mich, also glaub nicht, dass du auch nur ahnst, zu was ich fähig bin. Das dort unten sind Mutanten, wie du sehr wohl weißt, Missgeschicke der Natur. Sie haben keine Daseinsberechtigung. Wenn ich sie zum Wohl der
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