Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
war mit einer Freundin und einem anderen Pärchen auf der Krake. Die Sonne brannte, und aus den Lautsprechern dröhnte »Come on Eileen« so laut, dass ich den Rhythmus der Musik in meinem Brustkorb spürte.
Alle waren bester Laune und voller Brausegetränke und Zuckerwatte. Während wir herumgewirbelt wurden, verfolgte ich, wie meine Welt sich um mich herum drehte. Kaum war mein Blick auf das kabbelige Wasser des Bristol Channel gefallen, sah ich schon wieder die Stadt mit ihren gut besuchten Strandcafés und den Massen begeisterter Kids und Teenager. Ich wusste gar nicht, wohin ich mich als Nächstes wenden sollte. Es machte alles so viel Spaß, und ich hatte so viele Möglichkeiten in meinem Leben. Am liebsten hätte ich mich für immer weitergedreht und ein Stück von hier und von da genommen, ohne jemals langsamer zu werden.
Als Erstes fiel mir ihr Hinterkopf ins Auge. Dieser Schleier ultrablonder Haare war nicht zu übersehen, und ich fühlte mich an unsere erste Begegnung in der Rollschuh-Disco zurückversetzt. Jetzt spielte eine sanfte Meeresbrise verführerisch mit diesen blonden Haaren im Sonnenlicht. Ich sprang sofort von der Krake ab und schlug den Sicherheitsriegel zu, sodass meine Freundin nicht rauskam. Dann ging ich schnurstracks auf Kate zu, drängte mich durch die Menschenmenge und heftete meinen Blick auf ihren Hinterkopf.
Als ich sie endlich erreicht hatte, legte ich ihr von hinten meine Hände über die Augen, ehe sie Gelegenheit hatte, sich umzudrehen und mich zu entdecken.
»Hey, wen haben wir denn da?«, gluckste Kate.
Ich grinste und genoss stillschweigend den Kitzel der Jagd.
»Wer ist es denn?«, fragte sie wieder und stupste dabei ihre Freundin Rachel an, die neben ihr stand.
Rachel grinste und sagte kühn: »Wen auf der ganzen weiten Welt sähest du am liebsten?«
»Singe!«, trällerte Kate laut, ohne zu zögern. »Ich würde mich freuen, Singe zu sehen!«
Unfassbar, sie hatte gewusst, dass ich es war. Ich ließ meine Hände fallen, und sie wirbelte herum und schenkte mir das breiteste Lächeln. Zugleich bekam sie feuchte Augen, und mir schwoll das Herz in der Brust. Gerade eben war etwas Bedeutsames geschehen. In diesem Moment hatte ich mich hier an Ort und Stelle in Kate verliebt. Und diesmal verliebte ich mich richtig. Ich wollte sie, und sie wollte mich. Das war das Ende oder besser gesagt der Anfang. Unweigerlich war es auch der Anfang eines weiteren Kampfes mit Kates Eltern, die noch immer unglücklich über die von ihrer Tochter getroffene Wahl waren.
Jetzt fiel mein Blick auf mehrere grüne und gelbe Blätter in meiner vierundvierzigjährigen Hand, und ich ließ mich von Kates Briefen ins nächste Stadium unserer Liebesgeschichte führen. Beim Überfliegen der Seiten pickte ich Sätze heraus, die Kate mir geradezu zuzuflüstern schien.
Ich liebe dich sehr und möchte den Rest meines Lebens mit dir verbringen … Meine Liebe für dich, Singe, wird ewig währen … Das ist kein endloser Kampf, den wir jetzt kämpfen. Wir können am Ende gewinnen, und, mein Gott, nichts anderes wünsche ich mir … Worte vermögen nicht auszudrücken, wie sehr ich dich vermisse, und nichts, nicht einmal beim Sex, kann dir beweisen, wie sehr ich dich liebe … BITTTE, BITTE , BITTE komm zurück und gewinn mich zurück. Ich werde für dich eintreten.
Der Brief endete mit den Worten: »I love U 4 ever and 2gether 4 ever. Alles, alles Liebe, ich vermisse dich sehr. Katie xxx«
Der Schmerz meldete sich zurück. Auch ich vermisste sie, damals und jetzt. Ich vermisste sie, nachdem ihre Eltern dahintergekommen waren, dass wir miteinander schliefen. Kate hatte angefangen, die Pille zu nehmen, doch es gelang ihr nicht, dies geheim zu halten. Ihr Dad drehte völlig durch, und wieder wurde uns jeglicher Kontakt verboten. Jetzt kann ich seine Sichtweise nachvollziehen, aber damals war mir das nicht möglich. Wir waren frisch verliebt und trotz aller unglaublichen Leidenschaft sehr vernünftig und vorsichtig.
»Ich liebe dich so sehr«, sagte Kate mir eines Abends, als sie in meinen Armen lag.
»Wie sehr?«, fragte ich sie.
»Meterweit«, meinte sie kichernd.
»Ich liebe dich kilometerweit«, konterte ich.
»Ich liebe dich mehr«, sagte sie.
»Wie kannst du mich mehr lieben?«
»Ich liebe dich bis ans Ende der Welt.«
»Bis ans Ende der Welt«, ich nickte, »das gefällt mir.«
Ich küsste sie und schaute ihr tief in die verträumten Augen und sagte ihr immer wieder: »Bis ans Ende der
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