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Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Titel: Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: St John Greene
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Welt.« Es wurde zu unserem Geheimcode für »Ich liebe dich«, den wir unzählige Male beim Telefonieren benutzten, wenn wir uns flüsternd unterhielten und Kate nicht wollte, dass ihre Eltern mitbekamen, mit wem sie sprach oder was sie sagte. Die Redewendung blieb hängen, und wir benutzten sie auch dann noch, als es uns endlich gelungen war, Kates Eltern davon zu überzeugen, dass uns nichts voneinander fernhalten konnte, auch noch, als wir knapp zwei Jahre später unsere erste gemeinsame Wohnung bezogen, als wir uns ein paar Jahre darauf verlobten, und natürlich auch noch, als wir vor fast zehn Jahren schließlich heirateten.
    Inzwischen sagten es auch Reef und Finn, und Kate wollte sichergehen, dass sie dies auch taten, wenn sie nicht mehr da war. »Mummy möchte, dass Daddy die Formulierung ›Bis ans Ende der Welt‹ benutzt.« So stand es auf ihrer Liste, und wir haben uns gegenseitig versprochen, uns für immer daran zu halten.
    Fast die ganze Nacht blieb ich wach und las Liebesbriefe und schwelgte in alten Erinnerungen. Bevor ich zu Bett ging, steckte ich meinen Kopf durch die Schlafzimmertür der Jungs. »Bis ans Ende der Welt«, flüsterte ich ihnen beiden zu.
    Nach meiner Rückkehr ins Schlafzimmer nahm ich Kates Charlie-Red-Flakon und sprühte etwas Parfüm auf mein Kissen. Ich war Kate sehr dankbar, dass sie so umsichtig gewesen war und mich die Briefe finden ließ, nun konnte ich sie lesen, so oft und wann immer mir danach war. In der Vergangenheit würde ich deswegen nicht leben, doch ich brauchte die Erinnerung an sie, um weitermachen zu können.
    Diese Briefe öffneten mir die Augen dafür, wie wichtig es ist, unsere Erinnerungsstücke aufzubewahren, und ich beschloss, sämtliche Kleinigkeiten von Kates Liste zusammenzutragen und alles ordentlich zu tippen, damit ich es als eine Art Anleitung benutzen konnte, die mir über alles hinweghalf. Kate hätte das Gleiche getan, wenn sie noch die Kraft und die Zeit dazu gehabt hätte – das hatte sie mir selbst gesagt.
    Kate hatte die ersten Punkte ihrer Liste noch im heimischen Bett in ihr Tagebuch geschrieben, aber als ihre Kraft nachließ, kritzelte sie auch Anweisungen auf einzelne Blätter, und als sie im Krankenhaus schließlich zu schwach wurde, ihre Liste handschriftlich fortzusetzen, simste sie mir die Punkte, die ich ergänzen sollte. Dummerweise habe ich ein paar dieser Kurznachrichten gelöscht. Selbst in ihren letzten Tagen, als sie sichtlich dahinschwand, wollte ich mir noch nicht eingestehen, dass sie mich verlassen würde. Ich weiß noch, dass ich abwehrend seufzte, sobald sie aufgelegt hatte.
    »Fahr im Sommer mit den Jungs nach Llantwit Major, den Strand in South Wales, an dem Mummy als Kind ihre Ferien verbrachte …«
    »Im Sommer wirst du hier sein, Dummerchen!«, sagte ich mir und drückte auf Nachricht löschen .
    Zum Glück erinnerte ich mich noch an die meisten gelöschten Anweisungen, wenn nicht sogar an alle, und jetzt wollte ich dafür sorgen, dass nichts verloren ging oder vergessen wurde.
    Am nächsten Morgen holte ich Kates Tagebuch aus ihrem Nachtkästchen und suchte nach dem ersten Punkt auf ihrer Liste. »Gib den Jungs zwei Küsse, wenn ich nicht mehr bin – einen von mir, den zweiten von dir« war das Erste, was Kate einfiel, als wir darüber sprachen, ihre Gedanken und Wünsche festzuhalten. Sie ließ keinen Zweifel daran, dass diese Anweisung ganz oben auf der Liste stehen sollte, und während sie diese formulierte, wurde mir klar, dass sie sich offensichtlich schon lange damit beschäftigt hatte.
    In einer verstörenden Mischung aus Bewunderung und Mitleid beobachtete ich Kate dabei, wie sie tapfer diese Worte niederschrieb und somit ihre Liste begann. Dabei dachte ich, keine Mutter sollte jemals solche Worte schreiben müssen. Vielleicht würde ich die Liste ja gar nicht brauchen, redete ich mir ein. Vielleicht würden wir eines Tages zurückblicken, lachen und sagen: »Ist es nicht unglaublich, dass wir diese Liste geschrieben haben?« Kate teilte meinen Optimismus in keiner Weise. Sie wusste, dass es für eine solche Hoffnung zu spät war. Sie nahm einen tiefen Atemzug aus dem Sauerstoffgerät, damit sie die Worte laut aussprechen konnte, während sie sie schrieb, und so nahm die Liste ihren Anfang.
    Jetzt nahm ich ein neues Blatt A4-Papier aus dem Drucker meines Heimbüros und machte mich daran, Kates Liste ordentlich und in ganzer Länge niederzuschreiben. Als die Punkte aus ihrem Tagebuch alle vermerkt

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