Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
in einem Badeanzug posierte und im alten Lido von Clifton einen Strandball hochhielt. »Beach Babe«, lautete die Überschrift der Lokalzeitung und lag damit nicht falsch. Sie war wirklich eine blonde Sexbombe. Ich weiß noch genau, wie die anderen Jungs ein Auge auf sie in ihrem schwarzen Badeanzug warfen und wie froh ich war, dass ich an diesem Tag Dienst als Rettungsschwimmer hatte und meine Katie gut im Auge behalten konnte. Das Papier vergilbte bereits, aber Kate war noch immer deutlich zu erkennen. In meiner Erinnerung war sie noch so lebendig, als wäre das Foto erst gestern gemacht worden.
Als Nächstes entdeckte ich ein paar Fotos, auf denen wir, unglaublich jung damals, als Models posierten. Einer von Kates Kommilitonen am College machte eine Ausbildung zum Fotografen und bat sie, ihm Modell zu sitzen. Sie saß in einem hübschen Garten und machte das ganz fabelhaft; sie sah umwerfend aus mit ihrem fröhlichen Lachen, das ihre Wangen wie Pfirsiche rundete.
»Komm her, Singe, mach mit«, rief sie und streckte mir ihre Hand hin. Ich ging und setzte mich neben sie.
»Soll wohl die Schöne und das Biest werden?«, scherzte ich und lächelte in die Kamera.
Im Unterschied zum »Beach Babe«-Foto kam es mir vor, als lägen die Model-Aufnahmen mehrere Leben zurück. Erinnerungen waren eben unberechenbar, sagte ich mir. Man wusste nie, wie sie auf einen wirkten. Als Nächstes sah ich ein verblasstes Foto von Katie in einem Flugzeug, ich war ebenfalls mit auf dem Bild und saß neben ihr. Wir waren unterwegs nach Österreich, wo wir Ski fahren wollten. Seltsam, dachte ich. Unser erster gemeinsamer Urlaub fand im Schnee statt, genau wie unser letzter in Lappland. Das Foto fing Kate vor ihrem allerersten Flug ein, und ich konnte noch immer die Aufregung in ihrem Gesicht erkennen, als wir uns startklar machten.
Wie sich herausstellen sollte, wurde es ein Horrorflug, der schlimmste, den ich je erlebt habe. Kate war so glücklich, dabei zu sein, denn ihre Eltern hatten sich dagegen gewehrt, uns gemeinsam in Urlaub fahren zu lassen. Sie hatte sogar die Unterschrift ihres Vaters gefälscht, um einen Pass zu bekommen. Das kam allerdings heraus, als er den Brief der Zollbehörde öffnete, weil sie das Formular nicht korrekt ausgefüllt hatte. Daraufhin kam es unvermeidlich zu Krach und Tränen, Entschuldigungen und Ultimaten, ehe Kates Eltern endlich die Erlaubnis zur Reise erteilten.
»Ist das normal?«, erkundigte sich Kate und ergriff meine Hand.
Es war ein Nachtflug, und wir hatten mit fürchterlichen Turbulenzen zu kämpfen, während das Flugzeug von einem Unwetter ins nächste trudelte. Die Passagiere kreischten, weil sie auf ihren Sitzen hin und her geschleudert wurden. Taschen und Skistiefel purzelten aus den Gepäckfächern über unseren Köpfen, und die Stewardessen wurden wie Streichhölzer herumgeworfen.
»Äh, es kommt schon mal vor, dass es ein wenig böig wird«, bluffte ich. »Mach dir keine Sorgen, Katie, halt meine Hand fest, dann wird alles gut. Es dauert nicht mehr lang.«
Ich muss zugeben, dass ich selbst auch Angst bekam, als wir zum Landeanflug ansetzten. Man spürte regelrecht, wie das Flugzeug vom Wind herumgeschubst wurde, bis es plötzlich wie ein Stein vom Himmel fiel. Es war eine sehr unsanfte Landung, halb auf der Landebahn, halb auf der Wiese. Kate hielt meine Hand so fest, dass sich ihre Nägel in meine Haut gruben. Später erfuhren wir, dass wir 800 km/h Rückenwind und 80 km/h Seitenwind hatten – eine höchst prekäre Kombination.
»Das war nicht wirklich normal, oder, Singe?«, fragte Kate anklagend, als wir die Sicherheit des Terminals erreicht hatten.
»Äh, nicht ganz«, erwiderte ich mit schuldbewusstem Lächeln. »Einen derart schlimmen Flug habe ich bisher noch nicht erlebt. Aber es war die Aufregung wert. Ich kann es gar nicht erwarten, dir Ski fahren beizubringen, du bist bestimmt ein Naturtalent.«
Sie gab mir einen verschmitzten Klaps auf den Rücken.
»Genauso, wie du es wert bist«, sagte sie.
Kate hatte eigentlich vor nichts Angst. Entsprechend schnell lernte sie, Ski zu fahren, und hatte großen Spaß daran. Ich konnte mein Glück kaum fassen, nicht nur eine Freundin zu haben, die umwerfend gut aussah, sondern eine, die wie ich sportbegeistert und abenteuerlustig war. Wie ich wollte Kate so viel wie möglich in jeden einzelnen Tag hineinpacken, und jeder Augenblick sollte so aufregend wie möglich sein.
Ich legte die Österreich-Fotos beiseite und nahm ein
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