Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
ansehen, wie er direkt auf den Grill zuraste, der neben dem Picknickbereich des Hotels stand.
»Singe!«, kreischte Kate und wandte sich in Panik an mich. »Schnell, halt ihn auf!«
Ich begann den Abhang hinunterzurutschen und zu schlittern, aber es war sinnlos. Finn raste mit Lichtgeschwindigkeit hinunter, ich hatte keine Chance, ihn zu erwischen. Man hörte einen abscheulichen Aufprall, dann war alles still. In der Ferne war es sehr dunkel, deshalb konnten wir nicht sehen, was passiert war. Als wir eine Sekunde später aus dem Dunkel Finns Hilfeschrei hörten, waren wir unglaublich erleichtert.
Während ich auf den Grill zuschlitterte, sah ich zu meinem Erstaunen, dass Finn und der Schlitten unter dem Grillstand feststeckten. Seine Füße ragten auf der einen, sein Kopf auf der anderen Seite heraus. Er hatte Ruß auf seiner gelben Mütze und war zu Tode erschrocken, schien aber wundersamerweise unverletzt zu sein.
»Hilf mir, Daddy!«, sagte er. »Zieh mich schnell raus!«
Es dauerte ein paar Minuten, bis ich ihn freibekam, und als er wieder auf seinen Füßen stand, fing er zu giggeln an. Kate starrte ihn verdutzt an, stimmte dann aber in sein Lachen ein. Ihr liefen Tränen übers Gesicht, so sehr lachte sie, jedoch vor Erleichterung, wie ich betonen muss.
»Was habe ich gesagt?«, japste sie. »Ein verrücktes Huhn wie sein Vater!«
»He, sag das nicht«, erwiderte ich lachend und zielte mit einem Schneeball auf sie.
Als Kate zu lachen aufhörte, fing sie zu husten an. Die kalte Luft drang auch in ihren Hals ein, also beschlossen wir, dass es für diesen Tag genug war. Ich sah ihr an, dass sie sich den Jungs zuliebe gewaltig anstrengte, und ganz sicher merkte sie umgekehrt, dass ich mir Mühe gab, sie darin zu unterstützen und normal zu reagieren.
Das war nicht leicht, das können Sie mir glauben. Am liebsten hätte ich Kate in Watte gepackt, damit sie es warm hatte und keiner Gefahr ausgesetzt war. Ich wollte sie nicht den Elementen ausgesetzt sehen, ständig bemüht, so zu tun, als wäre alles wieder normal bei ihr. Kate war entschlossen, alles abzuhaken, was wir uns in unseren Träumen für Lappland vorgenommen hatten, und es hatte keinen Zweck, darüber mit ihr zu diskutieren.
Im Laufe der nächsten Tage besuchten die Jungs den Weihnachtsmann in seiner Glitzergrotte am Nordpol, und wir unternahmen gemeinsam Rentierfahrten. Die Unschuld der Jungs war anrührend. Sie sagten dem Weihnachtsmann, sie wünschten sich ferngesteuerte Autos und eine DVD der Blue Man Group. Und als der Weihnachtsmann dann sein Verslein sagte von den Wünschen, die für »brave Jungs« in Erfüllung gingen, wisperte Finn kaum hörbar: »Und dass es Mummy nicht mehr so schlecht geht.« Der Weihnachtsmann tätschelte ihm freundlich den Kopf und schien um Worte verlegen zu sein.
Kate war sehr gerührt und drückte die Jungs fest an sich. Sie war so glücklich, musste schließlich aber doch zugeben, dass sie erschöpft war. So erschöpft, dass wir uns vom Hotel einen Rollstuhl ausleihen mussten, um weiterhin mobil zu sein. Doch bald schon tauschte sie den Rollstuhl gegen ein Schneemobil aus, und ich werde nie vergessen, wie sie darin vor dem Hotel vorfuhr, eingewickelt in eine Decke, unter der sie es sich mit Reef und Finn gemütlich gemacht hatte, und fröhlich grinsend. Die Jungs gackerten glücklich, und Kates Lächeln war so breit wie der Gürtel des Weihnachtsmanns.
»Danke«, flüsterte sie mir eines Nachts zu. »Mit Lappland ist ein Traum in Erfüllung gegangen.«
»Du hast ihn wahr werden lassen«, rief ich ihr in Erinnerung.
»Könntest du mir einen Gefallen tun, Singe?«, fragte sie unvermittelt.
»Es ist gut möglich, dass man von hier das Nordlicht sieht, das habe ich mit meinem Smartphone recherchiert. Kannst du bitte rausgehen und für mich nachgucken? Ich würde es so gern sehen, das bringt Glück, weißt du?«
Ich wickelte mich warm ein und ging hinaus in den knirschenden Schnee, sah aber sofort, dass nichts auf das Nordlicht hindeutete. Ich hatte es vor vielen Jahren, kurz bevor ich Kate kennenlernte, in Skye in Schottland gesehen und das Schauspiel begeistert verfolgt. Doch hier war der Himmel pechschwarz, und kaum ein Stern zeigte sich am Himmel.
»Wir haben kein Glück heute Abend«, berichtete ich ihr traurig, als ich zurückkam und sie und die Jungs bereits im Bett liegend vorfand.
Sie schlief ein, während ich noch wach war, und ich machte mir Sorgen, weil sie so schwer Luft bekam. Womöglich
Weitere Kostenlose Bücher