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Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Titel: Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: St John Greene
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große Angst hatte, sich im Wachzustand in die Röhre zu legen.
    Was würde Kate jetzt wohl zu Reef sagen? Wie würde sie diese schreckliche Frage beantworten, die zwischen uns in der Luft hing: »Was ist, wenn mein Krebs zurückkommt?«
    »Bitte bring ihnen bei, zu sagen, was sie meinen.«
    Ich schaltete das Autoradio aus.
    »Wir werden auch das meistern, wenn es je dazu kommen sollte«, sagte ich zu Reef.
    »Wie meinst du das?«, fragte er ernst.
    »Ich meine, ich weiß es nicht, Reef. Ich kann nicht in die Zukunft schauen.«
    »Werde ich sterben wie Mummy? Mummy ist an ihrem Knoten gestorben. Werde ich an meinem Knoten auch sterben?«
    »Reef, keiner weiß, was die Zukunft bringt. Was wir jedoch wissen, ist, dass die Ärzte deinen Knoten weggemacht und dafür gesorgt haben, dass es dir besser geht, und dir geht es wirklich richtig, richtig gut.«
    Reef sagte darauf nichts, und ich hoffte, so wahrheitsgemäß und taktvoll geantwortet zu haben, wie Kate sich das gewünscht hätte.
    »Was wir noch wissen, ist, dass Mummy uns, als sie starb, eine Liste hinterlassen hat mit besonderen Dingen, von denen sie möchte, dass wir sie tun«, sagte ich ein wenig unbeholfen und in einem Singsangton, der in meinen Ohren falsch klang, machte aber dennoch weiter und hoffte, dass Reef es nicht mitbekam. »Einer dieser Punkte ist, dass wir Urlaub im Wohnwagen machen sollen – und genau das werden wir auch am Ende der Woche tun! Zuerst müssen wir zum Arzt und dich untersuchen lassen, nur um uns zu vergewissern, dass du fit bist und es dir gutgeht.«
    »Können wir im Urlaub Drachen steigen lassen?«
    »Ja, das können wir«, sagte ich und stieß einen erleichterten Seufzer aus.
    Am liebsten hätte ich gewendet, um runter an den Strand zu gehen und gleich jetzt den Drachen steigen zu lassen, doch ich fuhr weiter zum Bristol Royal Infirmary. Wie viele Male war ich diese Strecke mit Kate gefahren, sowohl für Reefs Behandlung als auch für ihre? Wie lange würde der Krebs sich noch in unser Leben einmischen? Doch dieser Gedanke beschämte mich plötzlich. Im Vergleich zu Kate hatte ich so vieles, wofür ich dankbar sein konnte. Sie hätte alles darum gegeben, heute Reefs Hand zu halten.
    Ich weiß noch genau, wie Kate Reef zum ersten Mal in ihren Armen hielt und seine winzige kleine Hand mit ihrer umklammerte, als er gerade geboren war. Ein Ausdruck unfassbarer Liebe lag auf ihrem Gesicht, als wäre ein mütterliches Licht angeknipst worden. Sie strahlte vor Erfüllung – ein Ausdruck, der mir auf wunderbare Weise vertraut wurde.
    »Ist er nicht wunderschön, Singe?«, gurrte sie. Wir hatten vier oder fünf Jahre davor schon mal versucht, ein Baby zu bekommen, ein paar Jahre nach unserer Hochzeit, aber Kate hatte damals eine Fehlgeburt. Es war grauenhaft, und ich hätte es am liebsten vergessen. Sie hatte Angst und schrie, als sie ins Krankenhaus musste, weil es sie an ihre Kindheit erinnerte, als ihr im Krankenhaus die Mandeln und Polypen entfernt worden waren. Ich wollte sie beschützen, als wäre sie wieder das kleine Mädchen.
    Ehrlich gesagt hatte ich keine Eile, nach dieser Erfahrung einen erneuten Versuch zu starten, aber als Monat um Monat verging und Kate nicht schwanger wurde, begann sie sich Sorgen zu machen.
    »Was ist, wenn dies unsere einzige Chance war, ein Baby zu bekommen, Singe? Wenn ich nie wieder schwanger werden kann?«
    »Ich bin mir ganz sicher, dass wir eines Tages gemeinsame Kinder haben werden«, beruhigte ich sie jedes Mal. »Es wird dazu kommen, wir müssen nur Geduld haben. Hör auf, dir Gedanken zu machen.«
    Kate kam aber nicht davon los. Mir fiel es ziemlich schwer, mit ihrer Reaktion klarzukommen, denn eigentlich entsprach sie damals ganz gewiss nicht dem, was man unter dem »mütterlichen Typ« verstand, war sogar weit entfernt davon. In erster Linie brauchte Kate Action und war ein Adrenalinjunkie. Ihre Fehlgeburt war zwar traurig, und es tat mir leid, aber in Panik geriet ich deshalb nicht. Mir war klar, dass Kate eines Tages eine ganz tolle Mutter sein würde, wenn die Zeit dafür gekommen war.
    »Wir haben noch jede Menge Zeit, bevor wir uns Sorgen machen müssen«, argumentierte ich. »Und es gibt noch so viele Dinge, die wir in der Zwischenzeit gemeinsam unternehmen wollen. Vielleicht ist der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen. Lass der Natur ihren Lauf.«
    Kate war von meinen Worten alles andere als beruhigt. Die Fehlgeburt hatte sie ängstlich gemacht, und irgendwie glaubte sie, mich

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