Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Titel: Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: St John Greene
Vom Netzwerk:
nicht freiwillig geht. Für die Dichter, die auf diesem Pfad lustwandelten, wäre das sicherlich ein toller Tag für neue Inspirationen gewesen.
    Um Kates Grabstein legte ich einen hübschen weißen Rand aus Muscheln, die wir auf unseren Reisen gesammelt hatten, und Noels schlichte Zeremonie wurde vom fröhlichen Gesang eines Rotkehlchens untermalt. Ich war überaus dankbar dafür, dass Kate an einem so wunderschönen Ort ihre letzte Ruhe fand. Und es tröstete mich zu wissen, dass sie, wann immer wir mit dem Boot draußen waren, auf uns aufpassen und wir durch die Lücke in der Hecke zu ihr hinaufschauen konnten. Ich verstreute auch noch Wildblumensamen um Kates Grab, was ihr sicherlich gefallen würde.
    Als die Zeremonie vorbei war, erfasste mich unerklärlicherweise ein Glücksgefühl. Mir will kein besseres Wort einfallen, um meine Verfassung zu beschreiben. Ich spürte, dass Kate ihre Ruhe gefunden hatte, und das erleichterte und beruhigte mich. Die Jungs empfanden das wohl auch so, als sie, bevor wir aufbrachen, Kates Grabstein mit einem schmerzlichen Lächeln bedachten und winkten. Mehr als zwei Monate waren seit ihrem Tod vergangen, und auf einmal fühlte es sich richtig an, dass sie schließlich den Schrank verlassen hatte, und genauso richtig war es, dass wir jetzt von hier weggehen mussten – ohne sie.
    »Können wir herkommen und Mummy wieder besuchen?«, fragte Finn nachdenklich.
    »Natürlich können wir das! Wir können herkommen, wann immer ihr wollt, und wir können ihr auch zuwinken, wenn wir mit dem Boot draußen sind.«
    »Gut«, meinte er lächelnd und senkte scheu seinen Blick. »Mummy war lieb und lustig.«
    »Ja, das war sie. Und sie hat euch Jungs wirklich sehr geliebt.«
    Als wir uns langsam entfernten, drehte Finn sich plötzlich um und schaute zurück zum Grab.
    »Bye-bye, Mummy«, sagte er, winkte noch mal kurz, wandte sich dann an mich und sagte munter: »Ich hab dich lieb, Daddy.«
    Normalerweise war es Reef, der den Nagel auf den Kopf traf, aber an diesem Tag machte Finn das auf spektakuläre Weise.
    »Ich hab dich auch lieb«, sagte ich mit unsicherer Stimme.
    »Weinst du, Daddy?«, fragte Finn.
    »Ja, mein kleines Äffchen. Weil du mir eine große Freude gemacht hast!«, stotterte ich in dem Versuch, die Stimmung aufzuhellen.
    »Entschuldige.«
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Manchmal tut es gut zu weinen.«
    Mir fiel auf, dass Reef sehr still war. Er war immer der nachdenklichere der beiden Jungs, und ich nahm an, dass er alles etwas schwerer nahm, weil er ein wenig älter war. Kates Grab liegt dicht an dem eines kleinen Jungen, den wir kannten und der an Krebs gestorben war, aber ich war mir nicht sicher, ob Reef sich an ihn erinnerte oder auch nur sein Grab gesehen hatte. Ich erwähnte es nicht, weil ich Reef nicht noch trauriger machen wollte, und wir fuhren schweigend los.
    »Was ist, wenn mein Krebs zurückkommt?«, wollte Reef wissen.
    Als er mir diese Frage stellte, waren seit Kates Urnenbeisetzung ein paar Wochen vergangen, dennoch fühlte ich mich sofort auf den Friedhof zurückversetzt und erinnerte mich, wie still und nachdenklich er an diesem Tag gewesen war. Ich hätte es wissen können. Ich hätte mich damit befassen müssen, was ihm an diesem Tag durch seinen kleinen Kopf ging, und zwar vor allem anderen.
    Jetzt saßen wir im Auto auf dem Weg zum Krankenhaus zu seiner routinemäßigen Kernspinuntersuchung. Die Ärzte waren mit Reefs Fortschritt zufrieden, es gab keine Anzeichen darauf, dass der Krebs wieder zurückkam, trotzdem benötigte er noch immer regelmäßige Scans und Untersuchungen und würde seine ganze Kindheit über unter Beobachtung stehen, um auf der sicheren Seite zu sein. Ich war nicht begeistert über diesen Termin. Zum ersten Mal musste ich ohne Kate dorthin und fragte mich, wie Reef wohl damit klarkäme, ohne dass seine Mama ihm die Hand hielt.
    Kate war phänomenal, als Reef krank war. Selbst als sie mit Finn hochschwanger war, begleitete sie Reef auf jedem Schritt seines Wegs, hatte immer ein tröstendes Wort, eine Umarmung oder ein Päckchen Buntstifte im richtigen Moment parat, um ihn aufzumuntern. Immer und immer wieder setzte sie ihre eigenen Gefühle hintan, selbst wenn sie Reef in den Arm zwicken musste, damit er vor der Kernspinuntersuchung schrie und das Narkosemittel einatmen konnte, das ihn so weit betäubte, dass er in dem Gerät still lag. Jedes Mal brach es ihr fast das Herz, aber sie tat es für ihn, weil er viel zu

Weitere Kostenlose Bücher