Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
unglaublich«, hatte ich an dem Tag zu ihr gesagt. »Die wenigsten Leute würden sich nach allem, was du bei Reefs Behandlung mitbekommen hast, freiwillig in die Nähe einer Krankenschwester oder einer Nadel begeben.«
»Sie wollten mir heute gar kein Blut abnehmen«, sagte sie und klang ziemlich verschnupft. »Offenbar bin ich anämisch. Sie haben mir gesagt, ich soll mir keine Sorgen machen, sondern Eisentabletten nehmen. Vermutlich bin ich ein wenig ausgelaugt.«
Diese Worte kamen mir wieder in den Sinn, als Kate sich ihren Knoten untersuchen ließ. Ich gab gerade einen Lebensretterkurs im Esporta-Freizeitzentrum in Weston-super-Mare und versuchte zuversichtlich zu bleiben. Mit Kate war bestimmt alles in Ordnung, redete ich mir gut zu. Genauso wie ihre Anämie war dies sicherlich nichts, weswegen man sich Sorgen machen müsste, bestimmt gab es eine einfache Erklärung.
Kates Termin war im Weston General Hospital, nur ein Stück die Straße runter, und den ganzen Morgen wartete ich auf einen erleichterten Anruf von ihr mit der Nachricht: »Du hattest recht, Singe – es ist eine harmlose Zyste. Nichts, weswegen wir uns Sorgen machen müssten!« Aber mein Telefon läutete nicht. Ich wollte mir meine Zuversicht trotzdem nicht nehmen lassen und sagte mir, dass es in der Klinik bestimmt zu Verzögerungen gekommen war und man sie hatte warten lassen, weil sie kein dringender Fall war.
Zur Mittagszeit aß ich gerade gemeinsam mit den Lebensrettern einen Happen, als Kate durch die Tür kam. Sie setzte für die Gruppe ein Lächeln auf, bevor sie leise zu mir sagte: »Können wir draußen kurz miteinander reden?« Ich wusste, dass etwas im Busch war, weil es so gar nicht Kates Art war, nicht allgemein hallo zu sagen und mit den Leuten ein Gespräch anzufangen, selbst mit denen, die sie nicht kannte.
»Entschuldigt mich, Jungs, ich muss mal kurz raus«, sagte ich und spürte, wie sich mir die Nackenhaare aufstellten.
Kate ging schweigend mit mir zum Parkplatz. Als wir bei ihrem Auto angekommen waren, ließ sie den Kopf hängen und sah mich voller Bedauern an.
»Die Untersuchung hat nichts Gutes ergeben«, sagte sie. »Tut mir leid, Singe, ich muss noch heute Nachmittag zur Biopsie.«
Die Worte blieben in der Luft hängen, als sie ins Auto stieg, als wollte sie von ihnen loskommen. Als ich mich neben sie setzte, klammerte sie sich an mich und hielt mich fest, so fest, wie sie nur konnte. Sie fing zu weinen an, und für eine so kleine Person drückte sie wirklich fest zu und presste mir fast die Luft ab.
»Ich bin doch bei dir«, stammelte ich, »wir werden das gemeinsam durchstehen.«
»Ich kann einfach nicht fassen, was da passiert«, sagte sie und schluchzte dabei so heftig, dass ihre Tränen mein Hemd durchnässten. »Wie sollen wir das den Jungs sagen?«, jammerte sie. »Was sollen wir ihnen nur sagen?«
Sie war völlig verzweifelt, und es tat weh, sie so zu sehen.
»Wenn es Brustkrebs ist, Kate, dann stehen die Chancen doch sehr gut, dass du ihn überstehst«, sagte ich und versuchte einen kühlen Kopf zu behalten, obwohl mich meine eigenen Worte schockierten. Wir wussten beide, was ich meinte, dass es nämlich unmöglich schlimmer sein konnte als Reefs Krebserkrankung, und wir sahen einander entsetzt an.
Ich hatte nicht damit gerechnet, wieder in das dunkle Loch der Krankenhäuser zurückzufallen, dem wir gerade erst entkommen waren, und konnte selbst kaum glauben, dass ich Kate nun fragte, welcher Art die Untersuchung war, wie ich das so viele Mal getan hatte, als es um Reef gegangen war. Wie konnte eine Familie so sehr vom Unglück verfolgt sein, dass sie gleich von zwei Krebsfällen heimgesucht wurde? Reefs Krebs war so selten, und man hatte uns versichert, dass er nicht genetisch vorbelastet war. Vielleicht war das ein Irrtum. Oder vielleicht erwischte man Kates winziges Knötchen in einem so frühen Stadium, dass man es schnell und leicht entfernen konnte?
»Es bringt nichts, sich jetzt zu viele Gedanken zu machen, bevor wir die Ergebnisse der Biopsie haben«, sagte ich zu Kate. »Vielleicht ist es ja gar kein Krebs. Warte hier auf mich, während ich mit den Lebensrettern rede, dann fahren wir gleich wieder zurück zum Krankenhaus.«
Kate war unheimlich tapfer, als die Nadel in sie eindrang, sie biss die Zähne zusammen und hielt meinen Blick eisern und entschlossen fest, wie um mir zu sagen: »Du weißt doch, dass ich eine Kämpfernatur bin.« Sie war auch unglaublich tapfer, als uns später eine
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