Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
Er war als Sieger hervorgegangen und würde immer ein Überlebenskünstler sein.
Ich musste an Reefs Party zum vierten Geburtstag denken. Obwohl er noch immer in Therapie war und von Remission noch keine Rede sein konnte, war es ein unglaublicher Fortschritt, dass er so weit gekommen war. Es war der Juli 2008.
»Lass uns seinen Geburtstag groß feiern«, hatte Kate gesagt.
»Unbedingt! Was wollen wir machen?«
Wir waren wie Kinder, die sich auf Weihnachten freuten. Dass es mit Reef aufwärtsging, war ein unglaubliches Geschenk. Wir konnten es kaum glauben, dass er vier Jahre alt wurde, es war ein Wunder, dass er diesen Meilenstein erreicht hatte.
Wir mieteten das Curzon-Kino in Clevedon an, eines der ältesten Kinos der Welt, und luden mehr als zweihundert Freunde und Familienmitglieder zu einer Privatvorstellung von Ice Age 3 ein.
»Wir feiern, als gäbe es kein Morgen!«, gluckste ich.
»Damit willst du aber doch wohl sagen, dass es viele Morgen gibt?«, stellte Kate klar.
»Aber selbstverständlich! Auf die Zukunft, darauf, dass wir noch jede Menge Geburtstage feiern.«
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fielen mir sofort wieder Reefs Knoten ein, und alle positiven Gedanken, an denen ich mich in der Nacht hochgezogen hatte, waren wie weggeblasen. Augenblicklich fühlte ich mich verängstigt und allein. Im Haus war es still, und ich kam nicht an gegen diesen einen hartnäckigen Gedanken, der gegen meinen Schädel schlug. »Du hast dir bei Kate Hoffnungen gemacht«, stichelte er. »Und du lagst falsch.«
Ich sah Kates Umrisse im Türrahmen auftauchen. »Ich habe einen kleinen Knoten, Singe«, sagte sie, als sie aus der Dusche ins Schlafzimmer kam. Sie hatte ein Handtuch umgewickelt und hielt schützend ihre Hand über ihre linke Brust. Es war ein heißer Tag im August 2008, nur wenige Wochen nach Reefs Geburtstagsparty im Kino.
Arme Kate, dachte ich zuerst. Nach allem, was Reef widerfahren war, konnte ich es ihr kaum verdenken, dass sie ein wenig paranoid war, was ihre Gesundheit betraf. Jedes Mal, wenn wir ihm Calpol gaben, um seine explodierende Körpertemperatur in den Griff zu bekommen, hatte Kate sich Sorgen gemacht, etwas übersehen zu haben.
»Und wenn er nun wirklich was Ernsthaftes hat?«, fragte sie immer wieder. »Wenn wir was übersehen?«
Auch als sie darauf keine Antworten bekam, gab sie nicht auf – keiner von uns gab auf. An Reef wurde ein Test nach dem anderen durchgeführt, aber es dauerte Monate, bis man herausfand, was mit unserem einst so aktiven Kind geschehen war.
»Wir haben neun Monate vergeudet«, schluchzte Kate, als Reefs Krebserkrankung endlich diagnostiziert wurde. »Wir haben Krebs mit Calpol behandelt«, weinte sie. »Hätte man diese Diagnose eher gestellt, wäre er vielleicht nicht behindert.«
Dieser Gedanke verfolgte Kate, und ich musste ihr immer wieder gut zureden, dass sie ihr Bestes getan hatte, dass wir beide unser Bestes getan hatten. Wir waren unseren Instinkten gefolgt und hatten immer wieder darauf bestanden, dass Tests an Reef durchgeführt wurden, und auch die Ärzte hatten ihr Bestes gegeben, obwohl viele Monate ins Land gegangen waren, in denen Reefs Zustand sich immer mehr verschlechtert hatte.
Ich konnte mir gut vorstellen, was ihr an diesem Morgen durch den Kopf ging, als sie aus dem Badezimmer kam, aber ich wollte auf keinen Fall, dass sie sich unnötig sorgte. Sie hatte ohnehin schon viel zu viel Stress gehabt.
»Es wird eine Zyste oder dergleichen sein, Kate«, sagte ich, als sie mich den kleinen Knoten ertasten ließ.
Er fühlte sich nicht größer an als die Spitze eines Bleistifts.
»Mach einen Termin aus und lass ihn untersuchen. Wenn du möchtest, komme ich mit.«
Ich denke, dass Kate mich an diesem Morgen ansah und befand, dass auch ich genug Stress gehabt hatte.
»Nein«, sagte sie tapfer. »Du hast sicherlich recht. Ich werde mir einen Termin geben lassen, nur um auf der sicheren Seite zu sein, aber es ist nicht nötig, dass du dir deswegen freinimmst.«
Im Lauf des vorangegangenen Jahres war Kate zum Blutspenden gegangen. Sie wollte dem National Health Service für all das, was es für Reef getan hatte, etwas zurückgeben, es war ihre Art, danke zu sagen. Sowohl Kate als auch Reef hatten eine sehr seltene Blutgruppe: 0 negativ, weshalb sich das Blutspenden lohnte. Kate spendete mehrmals erfolgreich, aber ich erinnere mich, dass sie von ihrer letzten Sitzung ziemlich erschöpft nach Hause gekommen war.
»Du bist
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