Gib dich hin (German Edition)
und beeilte sich, ihren Bus zu bekommen. Sie fuhr zwei Stationen und eilte die Ruprechtstraße hinunter, bis sie vor Nicks Zooladen stehen blieb. Irgendetwas sah anders aus. Sie wusste nicht genau, was, bis ihr Blick auf die riesigen Buchstaben über dem Eingang fiel. Die waren eindeutig neu. Früher waren sie verstaubt gewesen. Zwei Buchstaben hatten sogar gefehlt, ein dritter war in der Hälfte durchgebrochen. Jetzt waren sie durch viel hellere und deutlich größere ersetzt worden. »Nicks Zoopuls« stand dort, sie war hier also tatsächlich richtig. Kein Laden in der Straße hatte größere Eingangslettern. Das musste Nick noch gestern Abend gemacht haben. Sie hieß das ganz und gar nicht gut, er sollte sein Geld nicht zum Fenster rauswerfen. Zumal er in finanziellen Schwierigkeiten steckte.
Cynthia trat ein und erschrak über den lauten Signalton, der ihre Anwesenheit ankündigte. Offenbar hatte Nick auch die kleinen Glöckchen abgeschafft, die sonst bimmelten. Dann folgte der Hammer. Eine äußerst attraktive Rothaarige stand hinter der Kasse und streckte ihr die Hand entgegen. Ein wahnsinnig großer Klunker glänzte an ihrem Ringfinger. »Guck mal, Cynthia, den hat dein Bruder mir geschenkt«, sagte sie und kicherte.
»Bitte, was? Wer sind Sie?«
»Deine künftige Schwägerin!« Sie breitete die Arme aus, stürmte auf Cynthia zu und drückte sie fest an sich.
»Nick hat mir so viel über dich erzählt und mir euer Familienalbum gezeigt. Ich habe dich sofort erkannt. Hach, ich bin ja so aufgeregt. Mein Name ist übrigens Maddy. Das kommt von Madeleine.«
Wann und vor allem wo zum Geier hatte Nick diese Prostituierte aufgeschnappt? Das es eine war, daran gab es kaum einen Zweifel, wer sich im Winter wie im Sommer kleidete, musste dem professionellen Gewerbe angehören. Die hohen Stiefel, der kurze Rock, sogar der Bauch war frei. Und woher hatte Nick das Geld, ihr einen solchen Klunker zu bezahlen. Die Antwort lag auf der Hand. Er musste tatsächlich einen Deal mit diesem Kredithai eingegangen sein, anders war nicht zu erklären, dass er plötzlich so viel Geld hatte. Wieso nur verprasste er es jetzt auch noch für solche Unnötigkeiten?
»Freust du dich denn gar nicht für uns?«
»Nein, tut mir leid, Maddy.«
Nick hatte den Verstand verloren!
»Wo ist mein Bruder?«
»Hinten, im Lager.«
Den jungen Herrn würde sie sich gründlich vorknöpfen. »Bist du von allen guten Geistern verlassen?«, fuhr sie Nick an, der gerade dabei war, Kisten zu stapeln.
»Wieso bist du nicht im Büro?«, konterte er und lachte sie an.
»Im Büro?«
Er nickte seelenruhig und fuhr mit seiner Arbeit fort, als sei nichts geschehen. Das konnte sie so was von aufregen! Erst brachte er alle in Schwierigkeiten, und dann war er nicht mal bereit, darüber zu reden. Plötzlich vibrierte etwas in ihrer Manteltasche. Wahrscheinlich Anna, die noch mal mit Marita gesprochen hatte. Rasch griff sie nach ihrem Handy, gab Nick aber durch einen strengen Blick zu verstehen, dass sie noch nicht fertig mit ihm war.
»Das sind sie sicher«, sagte Nick.
Auf ihrem Display war eine unbekannte Nummer angezeigt, und als Cynthia ranging, meldete sich eine ihr fremde männliche Stimme.
»Raoul Peters von Henning Advertising. Spreche ich mit Cynthia Guthan?«
»Ja …« Was wollte denn Henning Advertising von ihr?
»Es geht um Ihr Bodyline-Konzept, das Sie uns mit Ihrer Initiativbewerbung geschickt haben. Das hat uns sehr gut gefallen, und wir würden Sie gern zu einem Bewerbungsge spräch einladen.«
Sie traute ihren Ohren nicht. Plötzlich war es wieder IHR Bodyline-Konzept? Woher hatten sie das überhaupt? Sie hatte sich doch gar nicht bei Henning Advertising beworben.
»Frau Guthan, sind Sie noch dran?«
»Ja … bin ich …«, stammelte sie aufgelöst.
»Können Sie heute vorbeikommen?«
»Heute?«
»Um drei Uhr nachmittags im Büro von Ansgar Henning.«
Das konnte doch alles nicht wahr sein.
»Ja… sicher…«
»Wunderbar. Dann bis nachher.« Klick. Er hatte aufgelegt.
»Das … war … Henning Advertising«, stotterte sie. Henning Advertising! Das musste man sich auf der Zunge zergehen lassen. Die hatten jedes Jahr Hunderte von Bewerbern, weil sie ein renommiertes Unternehmen waren. Aber nur die Wenigsten wurden genommen. In der Regel hatte man nicht die geringste Chance. Und ausgerechnet sie wollten sie nun kennenlernen. »Die … wollen
Weitere Kostenlose Bücher