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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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schließlich ein genervter Mitreisender ihn am Kragen packen und in den Zug ziehen musste, weil er die Ansage des Train Operators einfach nicht gehört hatte. Danach warteten sie noch zehn Minuten im Tunnel zwischen South Kensington und Glouchester Road darauf, dass ein Signal umsprang, um die Strecke frei zu geben.
    Froh, flache Schuhe angezogen zu haben, auf die sie Constantin zuliebe in letzter Zeit häufig verzichtet hatte, legte Pauline die fünfhundert Meter von der U-Bahn-Station zum Arzt im Laufschritt zurück und erschien nur wenige Minuten zu spät, aber ziemlich erhitzt in der Praxis.
    Die Untersuchung brachte keine neuen Ergebnisse. »Außer ein paar kleineren Unregelmäßigkeiten kann ich nichts feststellen«, sagte Professor Ruppert. »Ich würde Sie gern noch einmal einigen Kollegen vorstellen …«
    Mit Grauen erinnerte sich Pauline an ihren Aufenthalt an der medizinischen Fakultät in Cambridge. Sie hatte so viele Tests über sich ergehen lassen müssen, dass sie am Ende nicht sicher war, ob die Mediziner sie vielleicht so quälten, um einen Anfall zu provozieren. Doch ihr Herz war standhaft geblieben. Der Anfall kam drei Wochen später.
    »Ich weiß Ihr Angebot zu schätzen, aber ich muss morgen zurück nach Hamburg …«
    »Es läuft gut für Sie, nicht wahr?« Er erzählte ihr, dass er die Aufzeichnung aus Barcelona gesehen hatte. »Sie waren brillant, Ms. Roth!«
    Bald darauf entließ er sie mit dem gut gemeinten Rat, sich nicht zu überanstrengen, und Pauline kehrte in ihr Hotel zurück.
    Unterwegs meldete sich Marcella. »Erreiche ich dich endlich! Hast du heute Abend Zeit?«
    Es stellte sich heraus, dass Siobhan Middelton den Vertrag geschickt hatte. Sie war als zweite Elisabeth für die Don-Carlos -Produktion des Hamburger Opernsommers engagiert.
    »Zu fantastischen Konditionen«, sagte Marcella. »Ich dachte, wir könnten das heute bei einem Abendessen feiern.«
    Sie klang so glücklich, dass Pauline zusagte, obwohl sie keine große Lust hatte auszugehen. Lieber hätte sie sich vor den Fernseher gelegt und einfach nur durch die Kanäle gezappt, wie früher, als sie noch in ihrer WG gewohnt hatte. Es war gerade mal ein halbes Jahr her, und doch erschien ihr diese Zeit unendlich fern.
    Außer Marcella, die schon einmal angerufen hatte, als Pauline gerade auf dem Weg zum Arzt gewesen war, hatte niemand eine Nachricht hinterlassen. Auch von David war nichts gekommen. Dabei hätte sie sich heute oder morgen mit ihm treffen wollen. Sogar ein kleines Geschenk hatte sie für ihn besorgt. Aber offenbar war er gar nicht in der Stadt, sonst hätte er bestimmt von sich hören lassen.
    Eigentlich war es ihr aber recht, dass nun daraus nichts wurde. Constantin hätte es ohnehin nicht gern gesehen, und sie nahm sich vor, stattdessen den freien Vormittag zu nutzen, um eine Ausstellung zu besuchen, bevor sie am späten Nachmittag wieder nach Hamburg flog.
    Während der Rushhour in London unterwegs zu sein war kein reines Vergnügen. Die Leute drängelten, weil ihnen nichts anderes übrigblieb oder weil sie Touristen waren und es nicht besser wussten. Die Straßen waren verstopft und die Luft so schlecht, dass sich Pauline auf der Oxford Street unauffällig ein Tuch vor den Mund hielt, um ihre empfindlichen Atemwege vor einem Hustenreiz zu schützen. Gerade war sie in die Dean Street eingebogen, da rempelte sie jemand an.
    »Oh, sorry« , entschuldigte sie sich automatisch und drückte sich die Handtasche fester an ihren Körper.
    Der Mann entschuldigte sich ebenfalls, es sei sein Fehler, er habe nicht aufgepasst. Offenbar war er genauso in Gedanken gewesen wie sie selbst und nicht etwa ein Taschendieb, der es auf ihr Portemonnaie abgesehen hatte.
    Pauline sah ihm hinterher, und dabei fiel ihr jemand auf, der mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze vor dem Schaufenster eines Sandwich-Shops stand. Da gab es nun wirklich nichts zu sehen, es sei denn, der Typ hatte Hunger. Aber so wirkte er nicht.
    Wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein , dachte Pauline, denn plötzlich glaubte sie sich zu erinnern, ihn auch in Shoreditch gesehen zu haben, als sie aus Myrahs Laden gekommen war. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich sie. Den ganzen Tag hatte sie den Verdacht gehabt, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Folgte ihr der Mann etwa? War er von Constantin engagiert worden, um sie zu überwachen? Am liebsten hätte sie den Typen darauf angesprochen, aber traute es sich dann doch nicht und eilte stattdessen zurück ins

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