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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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zu behandeln.
    Sie duftete nach Aprikosen, und tatsächlich ließ das Brennen nach einigen Minuten deutlich nach. Erleichtert bereitete sie den Gesangsunterricht vor, zu dem sie sich mit Elena verabredet hatte.
    Der Nachmittag verlief jedoch anders als gedacht. Elena war länger krank gewesen, und das sah man ihr an. Das rundliche Gesicht war schmal geworden, und tiefe Schatten lagen unter ihren Augen. Sie wirkte unkonzentriert und fahrig, behauptete aber, alles sei in Ordnung. Nach der Stunde ließ sie es sich nicht nehmen, jede der Arien mit Pauline durchzusprechen, die sie in Barcelona gemeinsam herausgesucht hatten. Ihre Agentin Marcella war der Meinung, dass sie unbedingt eine CD aufnehmen sollte, damit auch das Publikum, das sie noch nie live gesehen, aber bereits von ihr gehört hatte, angefüttert wurde.
    Als sie merkte, dass Elena immer blasser wurde, schlug Pauline vor: »Wir können das auch ein andermal besprechen. Ich bin ja nicht aus der Welt.«
    »Du schwächelst doch nicht etwa? Um eine erfolgreiche Sängerin zu werden, musst du mehr Kondition zeigen«, sagte Elena streng.
    »Dann lass uns wenigstens gemeinsam Tee trinken. Ich habe einen Riesenhunger«, bat sie mit einem Lächeln, und ihre strenge Lehrerin gestattete ihr, die Bestellung aufzugeben.
    Pauline bestellte Afternoon Tea , weil sie wusste, wie üppig eine Teemahlzeit hier im Soho Hotel serviert wurde, und hoffte, Elena würde ebenfalls zugreifen. Es gab Sandwiches mit Kresse, Ei, Gurken und Schinken. Dazu warme Scones mit Clotted Cream und einer köstlichen Marmelade, der Pauline nicht widerstehen konnte.
    »Der Studiotermin steht noch nicht fest«, sagte sie mit vollem Mund. »Entschuldige!« Schnell spülte sie den Bissen mit Tee hinunter. »Marcella sucht nach einem geeigneten Partner für das Duett.«
    »Den hat sie schon gefunden.« Elena, die an ihrem Tee genippt hatte, verzog das Gesicht und stellte die Tasse zurück. »Jonathan Tailor wird eine Arie aus La Traviata mit dir singen. Und weil er unmöglich nur für ein Lied ins Studio engagiert werden kann, solltest du unbedingt die ›Fontainebleau‹- und die Schlussarie aus Don Carlos mit ihm aufnehmen.«
    »Aber dann stehe ich in direkter Konkurrenz zu Anaya Hemera. Die beiden sind das Traumpaar«, sagte Pauline entsetzt.
    »Na und? Ab jetzt wirst du immer im Wettbewerb mit den besten Stimmen der ganzen Welt sein. Gewöhn dich besser daran.« Elena beugte sich vor und zeigte mit einem Löffel auf sie. »Du bist unabhängig und jung. Die Hemera ist älter, als sie aussieht, und nun bekommt sie kurz vor Torschluss schnell noch ein Kind, anstatt weiter an ihrer Karriere zu arbeiten. Das ist ein unkalkulierbares Risiko. Nach der Geburt kann alles anders für sie sein. Sie wäre nicht die Erste, der das passiert. Das, meine Liebe, ist deine Chance.« Sie lehnte sich zufrieden zurück.
    »Wollen wir der Armen nicht das Schlimmste wünschen.«
    »Natürlich wollen wir das«, sagte Elena mit einem Gesichtsausdruck, der Pauline die Haare zu Berge stehen ließ. »Und noch einen Rat gebe ich dir: Such dir Freunde, die nichts mit der Bühne zu tun haben. Maler, Schriftsteller, Modeleute, ganz egal. Die Theaterwelt ist eine Schlangengrube und wird von intriganten Egozentrikern beherrscht. Denk an meine Worte.«
    »Noch Tee?«, fragte Pauline, um ihre Lehrerin, die gern über die ehemaligen Kollegen herzog, von ihrem Lieblingsthema abzulenken.
    »Nein, danke.« Elena ließ sich nicht beirren. »Den Job in Hamburg hast du doch auch längst in der Tasche.«
    »Da ist noch nichts entschieden.«
    »Ach, du bist so ein ahnungsloses Lämmchen. Selbstverständlich bekommst du einen Vertrag. Siobhan Middelton hat nur dich angefragt.«
    »Woher weißt du das?«
    Nun lachte Elena zum ersten Mal an diesem Tag. Dabei schien sie sich verschluckt zu haben, jedenfalls bekam sie einen so heftigen Hustenanfall, dass Pauline losstürzte, um ihr ein Glas Wasser zu holen. Als sie sich wieder erholt hatte, sagte die Diva: »Ich stehe zwar nicht mehr auf den Bühnen dieser Welt, aber ich kenne immer noch die richtigen Leute. Glaube mir, es wird genau so kommen, wie ich es dir sage.«
    Bald darauf rief jemand von der Rezeption an und sagte, dass Mrs. Corliss’ Wagen eingetroffen sei. Elena verabschiedete sich mit einer ungewöhnlich herzlichen Umarmung, und erst als sie fort war, sah Pauline, dass sie keines der Sandwiches und nicht einmal ein Scone gegessen hatte. Das machte ihr Sorgen.
    Lustlos blätterte sie danach

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