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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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und zufällig in diese ruhige Gegend gekommen, in der zu jeder Jahreszeit mehr Einheimische als Touristen unterwegs waren. Sie ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. War sie hübsch oder eher langweilig? Den Krawattenknoten noch mit der einen Hand zurechtrückend, öffnete Constantin mit der anderen ein weiteres Mal die Balkontür.
    Selbstverständlich stand die seltsame Fremde nicht mehr auf der Brücke. Es regnete jetzt stärker, und von der Lagune her wehte ein frischer Wind. Schon wollte er wieder hineingehen, da sah er sie am Anleger auf einem Holzpfosten sitzend wie die Meerjungfrau von Kopenhagen. Die Schuhe ordentlich neben sich abgestellt, nass bis auf die Haut – regungslos.
    Im selben Augenblick wurde sie von den jungen Männern bemerkt, die sichtlich angeheitert den Canale entlangkamen und anzügliche Bemerkungen machten. Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, dass sie gemeint war. Doch eine Touristin , dachte er. Unsicher stand sie auf, obwohl es kein Entkommen gab, sie war bereits von ihnen umringt. Spielerisch zwar, aber solch eine Stimmung konnte schnell umschlagen.
    Constantin schnappte sich sein Sakko, die Treppe hatte er im Nu hinter sich gelassen, durchquerte die Hotelhalle mit langen Schritten, vorbei an einem verblüfften Pagen, hinaus in den Regen.
    »Cara! « , rief er ihr schon von Weitem zu und ging zwischen den jungen Männern hindurch, als seien sie gar nicht vorhanden. Sekunden später legte er ihr das Jackett um die Schultern und führte sie sachte am Arm in Richtung Hotel. »Was machst du nur hier draußen bei diesem Wetter?«, fragte er laut genug, dass die vollkommen überrumpelten Männer ihn hören konnten. »Ich habe mir Sorgen gemacht.«
    »He!«, rief ihm ein Mann mit unverkennbar römischem Akzent nach. »Wie wäre es mit Finderlohn?« Die anderen lachten. Der Blick jedoch, den Constantin ihnen zuwarf, ließ sie verstummen. »Schon gut!«, sagte ein Zweiter und zog seinen Freund mit sich fort. »Siehst du nicht, dass die Kleine nicht ganz richtig im Kopf ist?«
    »Dann hätte er besser auf sie aufpassen müssen«, begehrte der Römer auf.
    »Wir Venezianer vergreifen uns nicht an Wehrlosen.«
    »Ach nein?«
    Ein Wort gab das andere, während die Gruppe streitend weiterzog. Constantin und seine durchnässte Meerjungfrau waren offenbar vergessen. Ohne Widerstand ließ sie sich von ihm durch die Hoteltür führen.
    Der Rezeptionist eilte ihnen dienstbeflissen entgegen, die Neugier in seinen Augen war unverhohlen. Ein barfüßiges Mädchen von der Straße hatte vermutlich noch nie jemand hier hereingebracht. Aber die Trinkgelder dieses Gastes waren in Ordnung, also bemühte sich der Mann, dessen sonderbare Begleitung zu ignorieren, und verbeugte sich höflich.
    Constantin verlangte nach heißem Tee. »Draußen steht ein Paar Schuhe am Canale. Sobald sie trocken sind, lassen Sie sie in meine Suite bringen.« Über die Schulter hinweg sagte er: »Und schicken Sie mir die Hausdame, per favore .«
    Genau in diesem Augenblick stolperte sie neben ihm. Constantin hatte entschieden, dass dieses jämmerliche Bündel an seinem Arm noch keine Frau sein konnte. Eine sehr junge bestenfalls, aber doch viel eher ein Mädchen, offensichtlich verwirrt und reichlich apathisch. Womöglich hatte er sich eine Drogensüchtige ins Haus geholt. Doch für Reue war es jetzt zu spät.
    Kurzerhand hob er das nasse Geschöpf hoch und trug es in seinen Armen die Treppen hinauf und ins großzügige Bad seiner Suite, wo er es behutsam absetzte und vorsichtshalber für einen kurzen Augenblick an den Schultern festhielt, um sicherzugehen, dass sie nicht umfiel.
    Was nun? »Das Beste ist, du ziehst dich erst einmal aus«, sagte er und hätte sich gleich darauf am liebsten geohrfeigt, als er in die vor Entsetzen weit aufgerissen Augen sah. Violett , dachte er. Wer hat denn solche Iriden? Wortlos sahen sie einander an, bis sich Constantin zusammenriss und mit kühler Stimme sagte: »Sie sind unterkühlt, und wenn Sie die Sachen nicht ausziehen, holen Sie sich den Tod. Eine heiße Dusche hilft. Danach können Sie mir erklären, warum Sie nachts barfuß im Regen herumspazieren.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Oder Sie behalten es für sich, ganz wie Sie möchten.«
    Wortlos drehte sie ihm den Rücken zu.
    Was sollte das nun? War das Mädchen taub, oder – wie die Flegel auf der Straße behauptet hatten – tatsächlich nicht ganz richtig im Kopf? Wie ein Junkie sah sie jedenfalls nicht aus, stellte er

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