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Gib mir Menschen

Gib mir Menschen

Titel: Gib mir Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
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Arbeitszimmer eingeschlossen hatte, meldete sich Molly-Maid.
    »Erledige zuerst die Post, Bert«, riet sie mir.
    »Gibt es keine wichtigeren Arbeiten?« erkundigte ich mich mürrisch. »Ich tu tagaus und tagein nichts anderes als Anfragen von Leuten zu beantworten, die ich noch nie im Leben gesehen habe und die ich wohl auch kaum je kennenlernen werde. Bin ich der Briefonkel einer Regenbogen-Gazette?«
    »Es gibt nichts Wichtigeres und Schöneres, als den Kontakt zu anderen Menschen zu pflegen, egal ob es sich um Gleichgesinnte oder Andersdenkende handelt.«
    Ich fügte mich seufzend ins Unvermeidliche.
     
    Ich erledigte die Briefe für Denkgenossen, mit denen ich über die Parteiwelle in Kontakt stand, und beantwortete die Fragen einer Handvoll anonymer Brieffreunde, die ihr Inkognito nicht lüften wollten. Eine Dame aus Rouen stellte mir die Gretchenfrage, die so alt war wie das Computerdenken:
    Ich frage mich immer wieder, ob man bei Anschluß an einen Denkservice überhaupt noch eine eigene Meinung hat. Man ist dann doch einer einzigen Ideologie ausgeliefert und einer gezielten Steuerung unterworfen. In diesem Zusammenhang von Gedankenfreiheit zu sprechen, das ist doch ein Anachronismus.
    In dem Antwortschreiben titulierte ich die anonyme Fragestellerin als »Miß Rouen«, in Anlehnung an die Mißwahlen, wie sie in der Vau-Effeszett abgehalten worden waren. Ein kleiner Scherz von mir – der gewiß Mollys Mißbilligung fand. Und ich antwortete:
     
    Liebe Miß Rouen,
    Sie müssen sich eben für die richtige Partei entscheiden, um sich Gedankenfreiheit zu bewahren. Als Unabhängige, um nicht zu sagen Freidenkerin, ohne den nötigen ideologischen Rückhalt, sind Sie noch viel mehr der Beeinflussung all der suspekten Meinungsmacher ausgesetzt. Wie können Sie bei der herrschenden Informationsvielfalt zwischen Propaganda und objektiver Berichterstattung unterscheiden? Cyril Corby trifft die Auswahl für Sie …
     
    Molly legte Werbematerial von CCCP bei.
    Meine Maid verlieh mir eine sehr schwungvolle Schrift, und ihre Formulierungen waren überaus geschickt und manchmal auch voll Poesie. Eine synthetische Maid aus der Emotio-Orgel hätte so was nie zuwege gebracht. Computer haben keinen schöpferischen Funken, sie erhalten ihn erst in der Synthese mit einem menschlichen Bewußtsein. Und handgeschriebene Briefe waren zur Zeit in.
    »Darf ich lesen, was ich geschrieben habe, Molly?« fragte ich, als meine Hand die schwungvolle Unterschrift unter die geradlinigen Zeilen des letzten Briefes setzte.
    »Was für eine Frage, Bert. Es ist dein Brief!«
     
    Liebe Claire.
    Du mußt entschuldigen, daß ich so lange nichts von mir habe hören lassen, weder brieflich noch auf Welle. Aber das liegt nicht allein an mir, obwohl ich einräumen muß, daß meine Zeit überaus knapp bemessen ist. Es ist nicht die Arbeit, die mich in Trab hält, denn wie Du weißt, hat CCCP die fließende Freizeit eingeführt, so daß ich meinem Job nicht mehr als zehn Stunden die Woche zu widmen brauche. Aber ich bin in vielen Sparten engagiert, ich habe viele Hobbys. Doch will ich Dich nicht mit Politisieren langweilen, keine Angst, ich habe nicht vergessen, daß Du es nicht schätzt, mit Ätherfreunden zu fachsimpeln. Welcher komischen Partei gehörst Du an, daß Du Dich nicht über deren Programm auslassen willst? Ich kann mir nur denken, daß Du irgendeiner obskuren Kleinorganisation auf den Leim gegangen bist, von denen es gerade in Paris jede Menge geben soll. Und das ist der Haken. Es ist schwer für mich, eine Verbindung mit Dir zu bekommen, ja, es ist für mich geradezu unmöglich, in Deine Frequenz einzusteigen. Wärst Du bei CCCP, dann gäbe es keinerlei Schwierigkeiten, selbst wenn Du in den Anden lebtest. Vielleicht läßt Du Dich noch bekehren? Ein persönliches Gespräch während einer Denkpause könnte da Wunder wirken. Wie Du weißt, bin ich soziologisch noch ungebunden …
     
    Ich unterbrach die Lektüre des Briefes und fragte Molly:
    »Ist das alles wahr? Stehe ich mit dieser Claire in so freundschaftlichem Kontakt, obwohl sie nicht bei Corby ist und ich nicht mal weiß, welchem Verein sie angehört?«
    »So ist es, Bert«, versicherte Molly. »Du bist vor einigen Monaten mal durch Zufall in ihre Frequenz geraten und hast mich gebeten, dich wieder mit ihr zu verbinden. Seitdem steht ihr in Briefkontakt. Irgendwann wirst du Claire bekehren.«
    »Aber muß ich mich da gleich als Heiratskandidat aufdrängen?« sagte ich

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