Gib mir Menschen
verärgert.
»Irgendwann mußt du dich verheiraten. CCCP braucht Nachwuchs.«
»Ich habe bereits eine andere Partnerin fürs Leben ins Auge gefaßt«, erwiderte ich und spielte damit auf den Heiratsantrag an, den ich Molly gemacht hatte. Sie wich einer Antwort aus, indem sie sagte:
»Du könntest Claire wenigstens mal kennenlernen.«
»Aber sie lebt in Paris! Und ich denke nicht daran, diese beschwerliche Reise auf mich zu nehmen.«
»Das wird vielleicht nicht einmal nötig sein«, sagte Molly sanft. »Ich erinnere mich, daß sie in einem Brief angedeutet hat, dich mal zu besuchen.«
»Warum fixierst du dich ausgerechnet auf diese Claire«, sagte ich wütend.
»Ich bin auf überhaupt niemanden fixiert«, erwiderte sie. »Aber da du allen Frauen gegenüber Scheuklappen anlegst, muß ich eben nachhelfen. Mir wäre jede recht.«
Molly seufzte.
»Bitte, Bert, keine Diskussion. Es ist nicht der richtige Ort und nicht die richtige Zeit. Heben wir uns dieses Thema für die Abendgespräche auf. Du hast Besuch!«
Ich erinnerte mich wieder, daß Erhard mich darauf aufmerksam gemacht hatte, und ließ ihn nun wissen, daß ich bereit war, den Besucher zu empfangen.
Es war eine weibliche Person, so um die zwanzig. Sie war klein und zierlich und trug ihre Geschlechtsmerkmale verhüllt. Seltsamerweise galt erst mein zweiter Blick ihrer Kopfbedeckung. Sie trug kein Käppi, sondern offenbar nur eine Perücke, in die die Sensoren und Rezeptoren eingewoben waren. Ich mochte diese Mode nicht, denn die Perückenfarbe allein gab keinen genügend exakten Hinweis auf den Denkservice.
Violettes Haar! Ein Brechmittel für mich.
Auch ihre Kleidung wies keinerlei Accessoirs irgendeines Vereins auf und war streng neutral gehalten.
Ich tippte mir zum Gruß aufs Käppi, während ich mit der anderen Hand auf den Platz vor meinem Schreibtisch wies, und stellte die bekannte Gewissensfrage:
»Wo lassen denken?«
Sie lächelte scheu, was sie überraschenderweise anziehend machte. Und da ich das fand, meldete sich prompt Molly mit der Frage:
»Wäre das nichts für dich, Bert?«
Kupplerin!
»Ich bin kein Corby-Fan«, sagte das Mädchen und ließ sich auf den Rand des Besucherstuhls nieder, als beabsichtige sie, ohnehin gleich wieder zu gehen. Hatte wohl Ameisen in den Ganglien, die Kleine. »Das sollte im Moment genügen.«
Aha, jetzt begann das Taktieren.
»Was wollen denn von mir?« Fremden gegenüber war es immer richtig, eine völlig unpersönliche Anrede zu gebrauchen.
»Ich suche Arbeit. Ich bin neu in der Stadt und brauche eine Beschäftigung. Mir wäre alles recht, denn ich habe das Nichtstun satt.«
»Bei Cyril Corby hätten Sie nie über Langeweile zu klagen.« Wenn man auf Werbersfüßen war, konnte man schon etwas vertraulicher werden. »Was ist das denn für ein lumpiger Verein, der Ihnen nicht einmal hilft, die Freizeit zu gestalten? Ich spreche absichtlich nicht von Arbeit, denn dieses Wort hat einen häßlichen Beigeschmack. Corbyaner arbeiten nicht, sie beschäftigen sich bloß. Sieben Tage die Woche, oder auch nur zehn Stunden. Das ist der Rahmen.«
Sie zeigte wieder ein scheues Lächeln, holte ein Chronometer aus dem Dekolleté und blickte stirnrunzelnd darauf. Gütiger Input-Out, was für eine vorsintflutliche Methode, die Zeit zu erfahren! Meines Wissens gab es nur ganz wenige kleine Vereine, eigentlich mehr Sekten, die sich durch Festhalten an gewissen Traditionen das Image von Intellektualität verschaffen wollten. Und bei so was ließ dieses appetitliche Geschöpf denken!
»Sag nicht wieder, daß das Mädel was für mich wäre!« kam ich Molly zuvor und verpaßte dadurch fast, was meine Besucherin mir zu sagen hatte.
»Ich bin an einem Vereinswechsel nicht uninteressiert«, sagte sie, nachdem sie ihren Chronographen wieder verstaut hatte. »Aber bevor ich mich an irgendeinen Service binde, möchte ich zuerst die Menschen kennenlernen, die dort denken lassen. Ich möchte nicht bloß eine Nummer sein. Sie verstehen?«
»Als Corbyanerin wären Sie keine Nummer«, versicherte ich ihr guten Gewissens. »Bei CCCP ist Individualität oberstes Gebot. Sie können bei uns schöpferisch wirken oder karitativ. Sie können für sich allein sein, eine Einzelgängerin in einer Millionenschar, oder sich der Gruppendynamik anvertrauen. Sie können …«
Sie winkte lachend ab.
»Ich bin überzeugt, daß Sie ihr Parteiprogramm im Schlaf beherrschen. Aber das wollte ich nicht hören. Mir liegt mehr daran, Sie in einer
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