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Gib mir Menschen

Gib mir Menschen

Titel: Gib mir Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
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mitbekommen? Die KODE hat den Einsatz der Demolitionsbombe beschlossen.«
    »Was?« rief Marlene aus. Sie war erschüttert. »Aber das ist … wie mit Kanonen auf Spatzen schießen.«
    Arlo nickte und fuhr fort:
    »Ich habe gerade durchbekommen, daß unsere Freunde in Tokio in das Konferenzgebäude eingedrungen sind, in dem die KODE tagt. Noch hat niemand etwas bemerkt, unsere Freunde kommen gut vorwärts. Es gibt keine Wachtposten, nur das computergesteuerte Überwachungssystem, und das haben sie ausgeschaltet.« Während ich ihm zuhörte, ließ ich die Weltnachrichten auf mich einwirken, die noch immer die Live-Übertragung von der Tokioer Konferenz brachten. Arlo fuhr fort: »Es wäre doch gelacht, wenn wir uns nicht gegen die Denkmaschinen behaupten könnten! Schließlich haben wir Menschen sie selbst gebaut und müssen ihnen überlegen sein. Wir werden es ihnen beweisen.«
    Ich machte Arlo nicht auf seinen Denkfehler aufmerksam. Denn inzwischen standen die Computer in der dritten Generation und bauten sich selbst.
    »Unsere Freunde nähern sich dem Konferenzsaal«, berichtete Arlo mit atemloser Stimme. Dann lauschte er wieder, und ich konzentrierte mich auf die Live-Nachrichten der CCCP-Welle.
    Es wurde gerade eine Ansprache von Corby III. übertragen. Er referierte über ein Geheimprojekt seiner Partei. Er drückte sich nicht ganz klar aus und begründete seine Vorsicht damit, daß »der Feind mithöre«. Es ist wohl jedem klar, wen er damit meinte. Aber aus Corbys Andeutungen ging deutlich hervor, daß die CCCP einen Rationalisierungsprozeß im Denkservice anstrebe, der in Zukunft das Tragen von Käppis für Denkgenossen überflüssig mache. Corby III. verriet, daß eine Testserie laufe, dessen Abschlußergebnis er jeden Augenblick erwarte. Und er sagte wortwörtlich: »Wenn unser Versuch gelingt, dann bricht eine ganz neue Ära des Denkens an. Ich hoffe, die Kollegen von der Konkurrenz werden unser Bemühen um eine einheitliche Denkordnung zu schätzen wissen …«
    »Habt ihr es gehört?« rief Arlo aufgebracht. »Wenn Corby mit einem positiven Ergebnis aufwarten kann, dann steht einem Zusammenschluß aller Denkorganisationen nichts mehr im Wege. Und wenn es keine miteinander konkurrierende Denkanstalten mehr gibt, dann ist das das Ende des freien Denkens. Aber das werden wir zu verhindern wissen. Wir schlagen in Tokio und hier gleichzeitig zu! Unsere Freunde dringen bald in den Konferenzraum ein. Sie werden mit einem Schlag alle Bonzen vernichten.«
    »Und was ist mit uns?« fragte ich Arlo.
    »Wir sprengen die örtliche CCCP-Zentrale!« rief er. »Wir werden die gesamte Bewußtseinsgalerie in die Luft jagen! Bist du entsetzt, Bert? Mach jetzt nicht schlapp, Junge, wenn du mit den Gegebenheiten vertraut bist, mußt du uns führen.«
    Ich war wie benommen. Aber das lag nicht allein an Arlos ungeheuerlichem Plan. Auf mich stürmten einfach zu viele Eindrücke ein, Bilder und Laute aus verschiedenen Ebenen, die sich zu einem verwirrenden Durcheinander vermischten. Während ich die Sendung auf CCCP-Welle empfing, war ich gleichzeitig hoffnungslos in die Masse von Menschenleibern eingekeilt. Ich hörte Marlene meinen Namen rufen und blickte mich nach ihr um. Sie war abgedrängt worden, und ich sah, wie sie ihren Arm aus der Menge streckte. Ich griff nach ihrer Hand, bekam sie jedoch nicht zu fassen.
    Der Strom wälzte sich immer schneller auf den riesigen, dunklen Eingang des Computer-Bunkers zu, der nur noch hundert Meter entfernt war. Links von dem häßlichen, fensterlosen Hochhaus erstreckten sich lange Hallen, aus denen dicke, hohe Schornsteine ragten. Sie qualmten wie Fabriksschlote aus der Zeit der Industrierevolution. Ich erkannte ihre Bedeutung voll Entsetzen, ohne daß sie mir jemand verraten hätte.
    Die Krematorien!
    »Bert!«
    Marlene versuchte verzweifelt, sich durch die Phalanx der Zombies einen Weg zu erkämpfen. Sie boxte sich förmlich durch die Menschenleiber hindurch. Die Betroffenen zeigten keine Reaktionen, sie schienen die Schläge gar nicht zu merken. Sie folgten einem unsichtbaren Leitstrahl ins Verderben – in die Unsterblichkeit, wie ihnen die Maiden und Buben einsuggerierten, die irgendwann vorher das gleiche Schicksal erlitten hatten.
    Arlo war noch dicht bei mir. Er erregte meine Aufmerksamkeit durch einen seltsam gurgelnden Laut. Als ich ihn ansah, stellte ich fest, daß er leichenblaß war. Seine Augen wurden tatsächlich feucht. Von der anderen Seite preßte sich etwas gegen

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