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Gib mir Menschen

Gib mir Menschen

Titel: Gib mir Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
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Demolitionsbombe nicht allein übernehmen. Also machen sie Stimmung. Bei einer Abstimmung, die uns wahrscheinlich noch bevorsteht, würde die Demolitionsbombe die absolute Mehrheit bekommen. Darauf kannst du Gift nehmen. Und wofür dieser Aufwand? Für eine Handvoll Männer und Frauen, die sich in Neutral-Asien gegen die Computergesellschaft stellen.«
    »Aber«, warf ich ein, »die Autodafés in Bangla Desch, die Anschläge in Kalkutta und das Aussterben der Computer in Katmandu, zeugen doch von ganz anderen Aktivitäten der Freidenker.«
    »Kein Wort wahr«, behauptete Arlo. »Diese Krise wurde nur erfunden, um die Bewohner von Neutral-Asien evakuieren zu können. Die meisten werden nicht einmal umgesiedelt, sondern dazu getrieben, sich in die Denkmaschinen integrieren zu lassen. Mit anderen Worten, ihre Bewußtseine werden in die Computer gespeichert, ihre Körper eingeäschert.«
    »Nicht von CCCP«, behauptete ich fest. »Cyril Corby stellt strenge Bedingungen für eine Aufnahme in die Bewußtseinsgalerie. Wenn es so wäre, wie du sagst, dann könnte ja jedermann Unsterblichkeit erlangen, und die Erde wäre bald entvölkert.«
    »Darauf läuft es doch hinaus«, sagte Arlo.
    Seinen Worten folgte bedrückendes Schweigen. Marlene durchbrach es schließlich mit ihrer Stimme. Sie sagte:
    »Lassen wir es fürs erste genug sein. Bert soll das Gehörte erst einmal verarbeiten.«
    Ich war ihr dafür dankbar, denn die vielen neuen Fakten waren schwer genug zu verdauen. Marlene half mir dabei. Sie wurde zu meiner Maid, doch war sie mir mehr, als mir Molly je hätte werden können. Denn Molly besaß keinen Körper.
    Und Menschsein, das erfuhr ich in diesen Tagen, hatte auch sehr viel mit Körper zu tun.
    Geist ist nicht alles, das machten mir die Freidenker klar.
     
    Ja, verehrte Mitdenker, damit war der Abstieg eures Denkgenossen in die Slums der Freidenker vollzogen. Ich bereue nichts, es war eine Erfahrung, die ich machen mußte.
    Es dauerte schon seine Zeit, bis ich die Zusammenhänge begriff und die Dinge für mich transparent wurden. Aber ich lerne immer wieder dazu, und jedes neue Detail, das ich erfuhr, erschütterte mich aufs neue. Ich erlebte einen Schock nach dem anderen. Mir wurde immer deutlicher, daß ich einen der wichtigsten, wenn nicht überhaupt den wichtigsten Abschnitt der Menschheitsgeschichte miterlebte. Nur – ich konnte nichtverändernd eingreifen.
    Die Menschheit stand auf der Kippe. Es ging um ihren Fortbestand, und es gab zwei Wege. Entweder Sturz des Computerregimes, oder totales Aufgehen in dieses.
    Der Zug war schon abgegangen und näherte sich der Kreuzung, aber die Weichen waren noch nicht gestellt. Die Entscheidung würde in diesen Tagen fallen, und ich hatte die Ehre, sie aus der Warte eines Freidenkers mitzuerleben.
    Das Computersystem hatte tatsächlich einige Schwachstellen. Das lag vor allem daran, daß die vielen Denkanstalten nicht miteinander kooperierten. Außerdem kontrollierten die Multis nicht bestimmte Gebiete, sondern ihre Einflußbereiche waren ineinander verflochten. Sie konkurrierten miteinander.
    Das ermöglichte es den Freidenkern, sich überall ungehindert zu bewegen und sich vor allem in den Straßen und Gebäuden der Städte wie zu Hause zu fühlen. Man brauchte gar kein registriertes Käppi zu tragen, sondern es genügte, daß man sich irgendeinen Phantasie-Tschako aufsetzte und sich als Mitglied eines fiktiven Denkservices ausgab. Die Sache wurde dadurch erleichtert, daß auf die Frage: »Wo lassen denken?« sowieso keiner eine klare Antwort erwartete.
    Bei meinem ersten Ausflug ohne mein CCCP-Käppi hatte ich ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Aber bald gewöhnte ich mich daran, mich in dem Heer von Computer-Zombies frei und ungezwungen zu bewegen. Computer-Zombies! das war Arlos Lieblingsausdruck für die Denkgenossen jeglicher Couleur. Originell – und treffend, wie man mir bestätigen wird.
    Und dann war ich endlich soweit, daß ich bei einem Einsatz mitmachen durfte. Ich wußte nicht, worum es eigentlich ging, und Marlene sagte nur, daß ich genaugenommen der wichtigste Mann bei dem Unternehmen sei. Außer uns beiden war auch noch Arlo mit von der Partie. Wir waren schon ein richtiges Team, das nun seine Feuertaufe bestehen sollte, und ich war überhaupt nicht aufgeregt. Ich kam mir schon vor wie der geborene Esemde.
    Wir trugen Spezial-Käppis, in die Sprechfunkgeräte eingebaut waren. Damit konnten wir uns untereinander verständigen und eine

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