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Gibraltar

Gibraltar

Titel: Gibraltar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Reh
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hauptsächlich der Sorge um ihr einmütiges und protokollgemäßes Auftreten galt.
    Sie folgte dem dritten Akt aufmerksam. Erstmals hatte sie das Gefühl, etwas von der Handlung zu begreifen. Als das Licht anging und ein ohrenbetäubender Chor aus Buhrufen anhob, blätterte sie aufmerksam in dem Programmheft, um nachzulesen, was sie gerade gesehen hatte.
    Es ist die Hoffnung, die Liebe könne Lohengrin aus seiner existenziellen Einsamkeit befreien. Und an diese Idee knüpft sich seine Forderung nach bedingungslosem Vertrauen. Aber der Versuch geht gründlich daneben.
    Als sie später gemeinsam mit Geschäftsfreunden Johanns auf dem Vorplatz standen und plauderten, sah sie Schallhammer mit seiner Frau und seiner Tochter die Stufen hinunterkommen. Ohne zu zögern trat er an Johann heran und begrüßte ihn.
    »Herr Alberts. Wann darf man Sie mal wieder in Wien begrüßen?«
    »Nicht so bald, fürchte ich.«
    »Das ist schade. Vielleicht überlegen Sie es sich noch einmal. Sie haben doch noch meine Nummer?«
    Johann nickte, als wollte er die Unterhaltung schnell beenden. Helene fragte Schallhammer: »Wie hat Ihnen die Inszenierung gefallen?«
    »Nun, sie war durchaus … interessant.«
    »Geben Sie’s zu«, wandte sie charmant ein, »sie war schrecklich.«
    Schallhammer und seine Frau lachten. »Nun, ich muss zugeben, ich habe die Oper kaum wiedererkannt.«
    »Es war lächerlich«, ereiferte sich Johann, offenbar froh über Schallhammers Zustimmung. »Ein furchtbarer Popanz. Dieser Lotmann ist einfach kein Opernregisseur. Wenn Sie mich fragen, ist der überhaupt kein Regisseur.«
    »Das Bühnenbild war nicht schlecht.«
    »Zumindest die Frau scheint ihr Handwerk zu verstehen.«
    In dieser Weise befeuerten sich die beiden noch einige Minuten in Zustimmung und Ablehnung, dann verabschiedete man sich freundlich.
    Helene zog sich ein letztes Mal in den Waschraum zurück, nachdem sie ihre Jacke von der Garderobe geholt und ihr Opernglas zurückgegeben hatte. Als sei dies alles ein Spiel, das sie sich bei den Mächtigen dieser Welt abgeschaut hatte, tippte sie einen Satz in ihr eigenes Telefon, der in vielen Filmen Verwendung fand:   Es ist alles arrangiert.   Dann hatte sie Feldbergs Nummer eingegeben und die Nachricht abgeschickt.
    Sie war inzwischen vollständig wach; dennoch hatte sie nicht bemerkt, wie Feldberg in den Salon gekommen war. Er trug noch immer denselben schwarzen Anzug vom Vortag. Seine Krawatte war gelockert. Beides erlebte sie in den fast dreißig Jahren, die sie ihn kannte, zum ersten Mal.
    Er ging wortlos um das Kanapee herum und setzte sich ihr gegenüber. Mühsam richtete sie sich auf: Zunächst stützte sie sich auf die Ellbogen, dann zog sie sich an der Rückenlehne des Kanapees hoch.
    »Ich war die ganze Nacht in der Bank«, sagte Feldberg. Er nahm seine Brille ab und rieb sich die Augen. Ulla erschien und stellte ein kleines Tablett mit Kaffee und Gebäck vor ihn auf den Tisch.
    »Ist das Geld aufgetaucht?«, fragte Helene, nachdem Ulla die Tür wieder hinter sich zugezogen hatte.
    Feldberg schüttelte den Kopf. »Es ist kompliziert. Bernhard hat die Überweisungen über einen spanischen Netzbetreiber abgewickelt. Man kann das nicht so einfach rekonstruieren. Der Staatsanwalt hat Amtshilfe beantragt. Aber Lambord Didier hat die Kontenauskunft verweigert.«
    »Wie können die die Auskunft verweigern? Es geht um Unterschlagung. Ist denen nicht klar, dass sie sich mitschuldig machen?«
    Feldberg schüttelte langsam den Kopf. »Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Der einzige Hinweis ist die Unterlagenmappe, aus der hervorgeht, dass ein Konto eingerichtet wurde. Wir müssen beweisen, dass etwas darauf eingezahlt wurde.«
    Helene bemühte sich, ihre Erregung zu verbergen. »Aber es ist doch völlig klar, wofür Bernhard dieses Konto eingerichtet hat!«
    »Es ist leer«, sagte Feldberg.
    Für einen Moment war es, als hätte sie das Atmen vergessen. »Was?«
    »Ein leeres Konto, weiter nichts. Wir haben das heute Morgen erfahren. Am Staatsanwalt vorbei.«
    »Aber wie kann denn das sein?«
    »Wir haben alle Konten überprüft, die nach dem Short Squeeze glattgestellt wurden. Aber Bernhard hat mitgemacht. Einige seiner Transaktionen gingen nicht an Geschäftskonten.«
    »Sondern?«
    »Wir wissen es nicht.«
    »Was sagt Bernhard? Hat irgendjemand mit ihm gesprochen?«
    »Nur sein Anwalt. Und der sagt uns nichts.«
    Helene starrte aus dem Fenster. Drei Amseln flogen im Kreis um den Rotdorn herum, dessen

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