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Gibraltar

Gibraltar

Titel: Gibraltar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Reh
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doch als sie ihn um Feuer bat, zeigte er sich überaus galant. Sie kamen ins Gespräch. Da die Finanzkrise in der ersten Hälfte dieses Jahres an niemandem spurlos vorübergegangen war, hätte es unnatürlicher Heimlichtuerei bedurft, dieses Thema nicht zu streifen. Zwar war auf dem Grünen Hügel von einer Krise nichts zu spüren, doch war dies eine Ausnahme. Ihre höfliche Erkundigung nach dem Geschäft hätte Schallhammer unter Verweis auf das allgemeine Notleiden abspeisen können, doch er antwortete ausführlich, dass er über das bisher starke Geschäftsjahr überrascht sei. Er hoffe, auch sie habe keinen Grund zur Klage? Durchaus nicht, gab Helene routiniert zurück, bedankte sich für das Feuer und wünschte eine genussreiche Aufführung.
    In der Pause nach dem ersten Akt entschuldigte sie sich Johann gegenüber damit, zur Toilette gehen zu müssen. Sie suchte hinten auf der Terrasse, im Foyer und im Park, konnte Schallhammer aber nirgends finden. Nach der ersten Posaune entdeckte sie ihn nahe einer der Bänke, ging aber nicht zu ihm, da eine Gruppe ihn umstand und Helene unter allen Umständen Aufsehen vermeiden wollte. Sie kehrte ins Foyer zurück, wo Johann sich wortreich über die Inszenierung der Oper echauffierte. Sie trat neben ihn und erkundigte sich interessiert nach dem Regisseur. Und während Johann erklärte, es sei ein Opernneuling, der unter Beweis stelle, dass die Experimentierfreude der Wagner-Frauen schon im ersten Jahr als gescheitert anzusehen sei, nahm sie ihm sein Jackett, das er ausgezogen hatte, ab und legte es sich mit einer Geste einstudierter Fürsorge über den Unterarm.
    Als die Posaunen zum dritten Mal ertönten und sie bereits auf dem Weg zurück in den Saal waren, schickte sie Johann vor, während sie selbst unter dem Vorwand, ein Opernglas zu leihen, noch einmal ins Foyer zurückkehrte. Schnell schrieb sie mit Johanns Telefon eine Mitteilung an die Nummer Schallhammers und löschte sie anschließend sorgsam aus dem Speicher:   Bitte kommen sie in der zweiten pause zur cosimabüste. Antworten sie nicht auf diese nachricht. Helene alberts
    In der Pause nach dem zweiten Akt fühlte sie sich von der Aufführung erschöpft. Sie schwitzte stark, und so war es ein Leichtes, sich aufgrund einer Kreislaufschwäche zu einem kleinen Rundgang an die frische Luft zurückzuziehen. Der Abend war gekommen, das Tiefblau des Himmels verstärkte den Eindruck gnädiger Kühle. Schallhammer stand wie vereinbart an der Cosima-Büste jenseits der Siegfried-Wagner-Allee und rauchte.
    »Warum so geheimnisvoll?«, fragte er.
    »Wie heißt es so schön?«, hob sie an und lächelte. »Dieses Gespräch hat nie stattgefunden.«
    »Was kann ich für Sie tun?«
    »Nicht für mich. Für das Bankhaus Alberts.«
    Schallhammer zögerte. Er wusste, dass Helene in der Bank keine offizielle Funktion bekleidete und bestimmt nicht weisungsbefugt war. Er wusste aber auch, dass sie Johanns Frau war.
    »Wir haben nicht viel Zeit«, sagte sie und blickte sich zur Terrasse um, wo die Operngäste in der Festbeleuchtung unwirklich gegen die Dämmerung abstachen. »Ich verrate Ihnen keine Geheimnisse. Ich sage Ihnen nur, was Sie am Ende des Jahres ohnehin dem Geschäftsbericht werden entnehmen können. Nur ist es dann vermutlich zu spät.«
    »Ich verstehe.«
    »Ihrer Bemerkung vorhin habe ich entnommen, dass sie gut aufgestellt sind.«
    Schallhammer nickte. »Wir können nicht klagen.«
    »Mein Mann denkt nicht an den Verkauf des Investmentgeschäfts. Auf manche Ideen kommt man nicht von allein. Auch wenn sie gut sind.«
    Die Posaunen auf dem Balkon spielten ein Motiv aus dem bevorstehenden dritten Akt. Die ersten Gäste leerten ihre Gläser und kehrten ins Festspielhaus zurück.
    »Diese Unterhaltung«, sagte Schallhammer, »ist ein wenig … unüblich. Finden Sie nicht?«
    »Nein«, sagte sie. »Sind Sie interessiert?«
    »Ich bin grundsätzlich immer interessiert an guten Geschäften.«
    Sie gab ihm einen Zettel. »Wenn Sie etwas von mir brauchen, melden Sie sich unter dieser Nummer. Wenn Sie mit ihm reden, muss sich alles zufällig ergeben.«
    Als das Motiv zum dritten Mal gespielt wurde, hatte sie eben die Toilette erreicht und kontrollierte ihr Make-up. Die Zeit wurde knapp, sie beeilte sich. Die Türen wurden gerade geschlossen, als sie die Treppe hochstieg.
    Johann sah sie kurz und prüfend an: Ob es ihr besser gehe? Auch wenn es so schien, als sei die Frage an sie persönlich gerichtet, wusste sie, dass sie

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