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Gibraltar

Gibraltar

Titel: Gibraltar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Reh
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Gast.«
    Sie schlug eine Tür hinter sich zu, dann hörte er ein lautes Scheppern. Vielleicht die Reste des Notebooks. Sie weinte. Er nahm seine Tasche, ging nach nebenan in die Garage, setzte sich in den Porsche. Ließ das Garagentor hoch, setzte die Sonnenbrille auf, machte Musik. Sein Gesicht im Spiegel sah aus wie das eines Mannes, der sich auf seine Arbeit freut. Dann gab er Gas.

5
    Er parkte auf einem bewachten Parkplatz in La Línea und ging zu Fuß zur Passkontrolle. Er war nicht aufgeregt. Er war ein normaler europäischer Bürger. Der Blick des Grenzbeamten taxierte ihn gewohnheitsmäßig. Bernhard zählte 21, 22, 23, der Grenzbeamte hielt den Kopf gesenkt und hob ihn erst, als er Bernhard den Pass zurückgab. »Have a nice day, Mr Milbrandt.«
    Als er in der Wechselstube ein paar Euro in Pfund getauscht hatte und hinaustrat, fühlte er sich frei wie ein Tourist. Das Gefühl, nur einige Augenblicke lang, war überwältigend. Er hörte Möwen; der Seewind drückte ihm Tränen in die Augen. Es war, als könnte er jeden Kilometer spüren, den er zwischen sich und Frankfurt gebracht hatte. Wie der Auftakt zu einem unvergesslichen Urlaub.
    Das Taxi musste vor dem Rollfeld warten, ein Flugzeug startete in den wolkigen Himmel. Abwechselnd setzte er die Sonnenbrille ab und wieder auf. Sie fuhren den Queensway entlang, eine südspanische Avenida mit Fish-and-Chips-Buden. Überall kreisten Möwen.
    »66 Europort Avenue«, sagte der Taxifahrer. Sie standen auf dem Parkplatz vor einem Tenniscenter.
    »Are you sure?«
    Der Taxifahrer nickte. Bernhard stieg aus. Sah sich um. Auf der anderen Straßenseite ein dreistöckiger Bürokomplex. Firmen und Zweckgesellschaften, meist bloße Namen. In der Eingangshalle Briefkästen, übersät mit Firmenschildern, auf manchen zehn verschiedene. Lambord Didier Ltd. befand sich in Suite 231, 2. Stock.
    Das Büro war seriös eingerichtet, man spürte das Geld pulsieren. Ledermöbel, Tischlampen, echte Kunst an den Wänden. Die Sekretärin bot ihm Kaffee an und ließ ihn zwei Minuten warten, dann empfing ihn ein grauhaariger Mann mit makellos gestutztem Vollbart und randloser Brille. Er sprach Englisch mit spanischem Akzent. Stellte, als sie Platz genommen hatten, die üblichen Fragen. Bernhard antwortete mit vorbereiteten Sätzen über ein Start-up-Unternehmen. Der Grauhaarige fragte weder nach Gewerbeschein noch nach der Nummer des Handelsregistereintrags. Er fragte überhaupt wenig. Dafür erklärte er ihm, dass die Bank nach Begründung einer entsprechenden Geschäftsbeziehung als Gesellschafter einer Firma auftreten werde, die formell sein Konto führe. Somit sei Bernhard weder als Besitzer zu identifizieren, noch unterliege die Kontoführung deutschen Steuerbestimmungen. Natürlich behalte der Kunde uneingeschränkten Zugriff auf das Konto. Alle nötigen Schritte zur Firmengründung werde man von hier veranlassen. Bernhard hörte ihm geduldig zu und nickte an den richtigen Stellen.
    Dann füllte er ein Formular mit seinen Daten. Als Wunschfirmennamen wählte er »Ivory Ltd«. In dem Feld »Contact Person« gab er seine neue Telefonnummer und E-Mail-Adresse an, unter Arbeitgeber trug er »Consultant« ein.
    Zur Unterzeichnung des Gründungsvertrags, zur Übergabe der Dokumentenmappe und zur Entgegennahme seiner Firmenbriefbogen müsse er in einigen Tagen noch einmal kommen, dann habe er vollkommene Verfügungsgewalt über das Konto. Er könne aber nach Belieben ab sofort Geld einzahlen.
    Draußen, in einer kleinen Imbissbaracke nahe der Strandpromenade, kaufte er fettigen Backfisch und aß ihn gierig. Danach war ihm schlecht. Er ging ein paar Schritte, winkte ein Taxi heran. Ließ sich ohne Probleme zurück über die Grenze bringen.
    In dem Carrefour kaufte er eine Luftmatratze, einen Campingstuhl, eine Wolldecke, einen Campingkocher samt Gaskartusche und Geschirr, eine Gaslampe, Besteck. Ein Schweizermesser mit 25 Werkzeugen. Eine große weiße Plastikschüssel, Spülmittel, Papierhandtücher und Müllbeutel. Wasser, Konserven, Schokoriegel. Kaffee und eine Stange Zigaretten. Whiskey. Bezahlte in bar.
    Als er wieder zurück in der Siedlung war, lud er alles aus und ging dann die namenlose Straße hinunter zum Strand. Die Straße stach grau gegen den jetzt blauen Horizont ab. Am Straßenrand leere Parkbuchten und Laternen, aus denen sich die Leitungen wanden. Er stellte sich das Leben vor, das hier niemals spielen würde: Eltern, Kinder, Hunde. Nichts als Animationen in einer

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